Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

46 Fünftes Buch. Zweites Capitel. 
Frieden, die heftig hervorbrechende Bekehrungssucht einer beschränkten 
und fanatischen Priesterschaft und einiger von ihr mißleiteten Fürsten 
regten den evangelischen Theil (fortwährend auf. Welch einen Ein- 
druck brachte es hervor, als man eben beim zweihundertjährigen Jubel- 
fest der Reformation erfahren mußte, daß auch der Kurprinz von 
Sachsen, auf dessen standhaftes Verharren bei dem lutherischen Be- 
kenntniß man immer noch zählte, dem Beispiel seines Vaters gefolgt 
und zum Katholicismus übergetreten sei. Da er sich zugleich mit einer 
Nichte des Kaisers, einer josephinischen Erzherzogin vermählte, so 
schrieb man der Einwirkung desselben den Uebertritt zu. Man hat 
ihm einmal das starke Wort gesagt, bei einem solchen Verfahren wäre 
es ebenso gut, als wenn man den Papst zum Kaiser hätte. Carl VI 
schien wenigstens eine Zeit lang zu vergessen, daß ein Kaiser beiden 
Theilen angehören müsse. Wie bedenklich wurde aber dann eine so“ 
enge Vereinigung mit Spanien, das die Protestanten in Eine Reihe 
mit den Ungläubigen setzte. 
Und auch in den politischen Angelegenheiten beklagte sich der 
König von Preußen, die ganze Zeit seiner Regierung über ohne Rück- 
sicht, ja mit Feindseligkeit behandelt worden zu sein: — bei den 
Reichsgerichten höre man ihn nicht lange, man verurtheile ihn gleich 7. 
Der Kaiser hatte nacheinander die Allodialerben von Limpurg, den 
Abt von Werden, das Stift Quedlinburg gegen Brandenburg in 
Schutz genommen: wegen des letzten sogar einige Nachbarn mit der 
Ausführung seiner Verfügungen beauftragt 2). 
Und so konnte Friedrich Wilhelm wohl nicht sehr kaiserlich ge- 
sinnt sein, als jene großen Irrungen ausbrachen. 
Er hatte auch sonst noch mancherlei Anlaß, den Gegnern des 
Kaisers, die sich an ihn wandten, namentlich dem englischen Hofe sein 
Ohr zu leihen. 
1) Die Methode so der Ks. Hof dabei gebrauchet ist diese, „daß alle jura. 
dieses Hauses auch gautze Proviutzien und Lande die gleichwohl unsere Vor- 
fahren besessen, und in deren Possession wir uns auch befinden, uns streitig 
und zweifelhaft gemacht, andre Stände im Reich, die Verwandten unsers 
Hauses selbst und unfre eigne Unterthanen selbst solche jura zu impugniren, 
und deshalb bei dem Kaiser zu beklagen angehetzet, ja gar welches sast un- 
erhört durch den Reichsfiscal dazu gezwungen werden.“ 
2) „Weil man zu Wien die Maxime hat daß man uns auf alle Weise 
klein machen müsse, daß wenn wir schon in einer Sache recht hätten die 
raison d’'etat nicht zuließe uns damit aufkommen zu lassen.“ Beschwerden 
vom Januar 1725.
	        
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