Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Präliminarien zu Breslau. 535 
Podewils sehe, schreibt er demselben, so werde er ihn noch mehr über- 
zeugen, daß er als Politiker und für das Wohl des Volkes, das er 
regiere, nicht anders habe handeln können. Es ist, sagt er, ein großes 
und glückliches Ereigniß, durch welches mein Haus in den Besitz einer 
der blühendsten deutschen Landschaften gelangt, zum Beschluß eines 
glorreichen Krieges. Man muß wissen, zur rechten Zeit inne zu hal- 
ten; das Glück erzwingen wollen, heißt es verlieren; noch immer mehr 
verlangen, ist das Mittel, niemals glücklich zu sein. 
Nur einen großen Scrupel konnte der König hiebei sich selber 
nicht verbergen; er fürchtete, man möchte es ihm als ein moralisches 
Vergehen anrechnen, daß er, ohne Rücksicht auf seine Verbündetei, 
einen besonderen Frieden schließe. 
Eine alte Frage, oft verhandelt und immer aufs neue zur Sprache 
gebracht, in wie fern es erlaubt sei, von geschlossenen Tractaten ab- 
zuweichen. 
Der größte König und der zurückgezogenste Philosoph des sieb- 
zehnten Jahrhunderts, Ludwig XIV und Spinoza, haben sich beide 
über sie vernehmen lassen. 
Der Philosoph geht davon aus, daß die Staaten in fortwähren- 
dem Naturzustand gegeneinander verharren, und trägt kein Bedenken, 
zu behaupten, daß ein Bündniß nur so lange Kraft habe, als die 
Ursache desselben, Furcht vor Schaden oder Hoffnung auf Gewinn, 
bestehe: Niemand sei der Treulosigkeit anzuklagen, der einen geschlos- 
senen Bund auflöse, sobald die eine oder die andere jener Ursachen 
aufhöre, denn diese Bedingung sei beiden gleich gewesen 1). Es fragt 
sich nur, ob ein Naturzustand dieser Art in Europa angenommen 
werden kann, wo alle Staaten auf gemeinschaftlicher Grundlage be- 
ruhen und zu einer großen Familie gehören. 
Bei weitem feiner faßt Ludwig XIV die Frage an, bei Gelegen- 
beit der damaligen Irrungen zwischen Frankreich und Spanien, als 
einen der zartesten Punkte, welcher von einem Fürsten in Betracht 
gezogen werden könne. Er meint, bei diesen beiden Reichen sei Eifer- 
sucht und Feindschaft das wesentliche und fortdauernde Verhältniß; 
durch Tractate könne demselben nie ein Ende gemacht, sondern nur 
der äußerliche und öffentliche Friede erhalten werden: geheimen Bruch 
derselben erwarte der eine Theil allezeit von dem andern; jeder ar- 
1) Tractatus politicus von Spinoza, c. III § 14: Haec conditio uni- 
cuique contrahentium ac qualis fait, ut scilicet auc primum extra metum 
esse posset sui juris esset etc.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.