Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

538 Neuntes Buch. Viertes Capitel. 
denkt, sich einzuverstehen. Es bleiben zu allen Seiten unausgesprochene 
Pläne übrig, an die sich der besondere Ehrgeiz heftet. 
Bei den Verhandlungen Friedrichs hat es oft das Ansehen, als 
schließe er sich enger an, als sein Sinn ist. Er vertraut, wie be- 
merkt, dem lebendigen Geist, der auch für die folgenden Zeiten eine 
Auskunft finden werde: aber er sieht sich dann doch in Verwickelungen 
gezogen, welche ihm höchst unangenehm fallen. 
ir sind fern davon, ihm einen Vorwurf machen oder auch ihn 
vertheidigen zu wollen. In diesen ins Weite gerichteten Entwürfen, 
wo ein jeder sich seinen letzten Vortheil vorbehielt, lebte und webte 
die ganze damalige Politik. 
Einmal mag es wohl ausgesprochen werden, daß wir, die wer- 
denden Ereignisse begleitend, ihre Gründe erforschend, doch nicht ge- 
meint sind, den Zuständen und Bestrebungen dieser Zeiten einen un- 
bedingten Werth beizulegen, weder ihrer politischen noch militärischen 
Verfassung, weder ihren commerciellen noch ihren ökonomischen Ein- 
richtungen, ihrer religiösen Ansicht so wenig als ihrer politischen Mo- 
ral. Der ganze Kreis dieser Tendenzen, in welchen sich Alles gegen- 
seitig bedingt, ist der historischen Erforschung überaus würdig, eins 
der bedeutendsten Glieder in der Folge der Jahrhunderte; aber schon 
lange ist er wieder zersetzt und durchbrochen, durch große Geschicke der 
Vergangenheit anheimgefallen. Denn auch die Ideen gehen vorüber; 
wir unterscheiden von denselben noch die Geister, die sich in ihnen 
bewegen, sie mit hervorbringen, aber auch noch ein freies Selbst haben 
und nicht in ihnen aufgehen. « 
In Friedrich sehen wir eine Kraft der ersten Größe, wiewohl 
noch nicht von allem Zusatz geringeren Stoffes gereinigt, jedoch in 
sich selbst von ächtem und gediegenem Gehalt: eine Intelligenz, der 
sich die Dinge und Personen so darstellt, wie sie sind: denn sie flieht 
ihrer Natur nach den Irrthum, und die ihren ganzen Umkreis mit 
Einsicht umspannt; einen schwungvollen Willen, der doch nur das 
Erreichbare ergreift, und selbst wenn er einmal die strenge Linie über- 
schreiten sollte, schon die Möglichkeit des Mißlingens mitberechnet 
und die Rückkehr in seine Sphäre vorbereitet; eine Energie, die in 
ihrem ersten stürmischen Antrieb, wo sie nach Ruhm und Erfolg ver- 
langt, etwas Unberechenbares und Unaushaltsames hat, die aber im 
Streite der Weltkräfte sich befestigt und regelt, so daß sie nicht allein 
glänzende, sondern auch haltbare Dinge vollbringt. Man könnte fra- 
gen, ob Friedrich schon damals einer eigenen und sittlichen Selbst- 
beschränkung fähig war. Wir sehen doch, daß er noch vor aller Ent-
	        
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