Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

60 Fünftes Buch. Drittes Capitel. 
Ansehen nach bald feindlich werdenden Ländern am anträglichsten 
sein dürfte“ ). 
Dahin gingen jedoch nicht die Gedanken des Königs von Preußen. 
Er näherte sich dem Kaiser, und traf mit ihm, wie wir gleich weiter 
sehen werden, noch im Jahre 1726, eine vorläusige Uebereinkunft; 
aber wenn ihm dieser den Antrag machte, dem Wiener Frieden, und 
den Verbindungen, die sich daran geknüpft hatten, z. B. mit Ruß- 
land, beizutreten, so lag dies ganz jenseit der Politik Friedrich Wil- 
helms; er wollte nicht die Partei wechseln, um etwa denen, mit 
welchen er eben verbündet gewesen, in entgegengesetztem Bunde ein 
Stück Landes zu entreißen: unter dem Hin= und Wiederschwanken 
der Neigung und des Unterhandelns erhob sich ihm vielmehr der Ge- 
danke, nicht allein selber neutral zu bleiben, sondern es auch zu keinen 
Feindseligkeiten zwischen den Mächten kommen zu lassen. Der König 
von England sollte ihm versprechen, nichts gegen die Erblande des 
Kaisers im Reich, namentlich gegen Schlesien oder Böhmen, vorzu- 
nehmen; dagegen sollte aber auch dieser zusagen, die hannoverschen 
Lande nicht anzugreifen?). Mochte der Krieg in anderen Regionen 
ausbrechen, in seiner Nachbarschaft wollte der König den Frieden 
behaupten. 
Mit diesen Anträgen schickte er im Februar 1727 einen seiner 
Offiziere, von Polenz, nach England. Die Herzogin von Kendal, 
Gemahlin Georgs I, ließ einige kleine Vorwürfe, die ihr wohl an- 
standen, über die Unbeständigkeit des Königs von Preußen verlauten: 
Georg I bezog sich auf Frankreich, mit dem er Rücksprache nehmen 
müsse, ehe er eine bindende Antwort geben könne; allein man sah 
ihm und seiner Umgebung an, daß ihnen der Antrag überaus an- 
genehm war. Denn schon hatten sie ein noch engeres Verständniß 
zwischen Preußen und dem Kaiser gefürchtet; sowohl den englischen 
als den deutschen Ministern schien ein Stein vom Herzen gewälzt zu 
werden; sie seien so vergnügt, sagt der preußische Resident, als wären 
sie von neuem geboren. 
Minder erwünscht war der Antrag in Wien, wo man ein- 
1) 22. Jan. 1727, bei Förster III, 331. 
2) Die Worte des Königs sind: Je suis seur, duc si V. Méc reut bien 
V ehtrer ei declarera, de vouloir entreprendre rien ('offensif contre 
I’empereur dans les états qu’il a en Allemagne et sur les frontières du 
coté de la Bolième et de la Silesie, j'espere de pouvoir disposer la cour 
de Viennc à s'obliger pareillement due ny elle uy ses alliés M’inquié- 
teront non plus les états de V'. Aé dans I’empire. 18. Februar 1727.
	        
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