66 Fünftes Buch. Drittes Capitel.
gefaßt, den König, der doch nur den Munsch einer Vergrößerung seines
Landes verrathe, dadurch zu befriedigen, daß man ihm eine solche aus
dem bei dem bevorstehenden Kriege zu erobernden Gebiete in Aussicht
stelle 1). Oesterreich hätte dann den Vortheil gehabt, das Haus Pfalz
auf seiner Seite zu behalten. Ich denke nicht, daß Seckendorf, dem die
größte Behutsamkeit zur Pflicht gemacht war, dies jemals unumwunden
vorgeschlagen hat. Im Juni 1727 hat er nur erklärt, der Kaiser,
der die bergischen Unterhandlungen noch immer, wenn es irgend möglich
sei, zu Ende zu bringen hoffe, wünsche doch auch andere Vorschläge, die
„zu des Königs Vergnügen und Genugthuung in Kriegs= und Friedens-
zeiten gereichen“ könnten, zu hören, und eine unzertrennliche Freund-
schaft zu schließen. Der König ist indessen hierauf nicht eingegangen.
Er antwortete: die Freundschaft des Kaisers solle ihm sehr lieb sein;
was aber Berg anbetreffe, so sei das eine Vergrößerung, auf welche
er vor Gott und Menschen Recht habe; er könne sich mit gutem Ge-
wissen darum schlagen; in weitläufige Verpflichtungen einzutreten sei
nicht seine Sache 2).
Und da nun Frrungen zwischen dem Kaiser und dem Hause
Pfalz eintraten, bei denen sich ein unangenehmer Briefwechsel ent-
spann, so daß dieses Haus sich augenscheinlich wieder an Frankreich
anschloß, so änderten sich die Stimmungen am Hofe zu Wiens2); man
zog die alte Erbstreitigkeit noch einmal in förmliche Erwägung. Im
Anfang des Jahres 1728 war Seckendorf daselbst, und ging, wie er
sagt, mit dem Reichshofrathspräsidenten, Grafen Wurmbrand, die
voluminosen Acten aufs neuc durch; über einige ungewisse Punkte
bat er sich Erläuterungen von Berlin aus. Anfangs Mai kam er
nach Berlin zurück. In seinem Beglaubigungsschreiben heißt es, er
1) Carl VI an Seckendorf 22. Jan. 1727 bei Förster III, 331. Dir ist
am besten bekannt, was aus den dem König benachbarten und nach allem
Ansehen bald feindlich werdenden Ländern am anträglichsten sein könnte —
Was Vortheil demselben aus Bremen und Verden oder aus den vereinigten
Provinzen Anständiges zukommen könnte, wodurch denn ein Aequivalent leicht-
lich ausfindig zu machen wäre.
2) Der von Ilgen kennt meine alten Sentiments, das ich gerne meine
Hände frei habe und gern von mir allein dependire, da wo ich A sage, ich
auch B sagen muß; was aber die bergische Affaire ist, ist das Agrandisse-
ment vor mein Haus nur eine Sache da ich vor Gott und Menschen Recht
habe, wenn ich mich darum schlage, ich es mit gutem Gewissen thun kann,
aber in weitläuftige Engagements einzugehen, weiß nit ob es von meiner
Convenience ist. (O. D. wahrsch. 6. Juni 1727.)
3) Aufzeichnung von Bartenstein S. 138.