Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

70 Fünftes Buch. Drittes Capitel. 
Wenn man sagen sollte, worin wohl jemals Seckendorf den per- 
sönlichen Einfluß über den König von Preußen, von dem so viel 
die Rede gewesen, bewiesen hat, so ist es hier gewesen. 
Er stellte vor, ein Fall, wie der vorausgesetzte, sei nun und 
nimmermehr zu erwarten. In Kurzem werde die Erbschaft sich er- 
ledigen, da der jüngste der Brüder von Neuburg bereits 61 Jahre 
zähle, — dann werde der König in Besitz von Berg und Navenstein 
treten, ein paar hunderttausend Thaler Einkünfte davon ziehen; der 
Kaiser sei durch die klarsten Worte des Tractates verpflichtet, ihn 
dabei zu schützen. Wer wolle den Proceß wieder aufregen, der schon 
hundert Jahre ruhe? Gesetzt, es geschehe doch, so habe der König so 
viel gutes Recht, daß er keinen widrigen Ausschlag befürchten dürfe; 
aber auch zugestanden, daß eine solche Sentenz erfolge, wer wolle 
sie gegen den Kaiser und den König ausführen? Seckendorf be- 
hauptete, auch Ilgen sei zuletzt dieser Meinung gewesen. Hauptsächlich 
entwickelte er, daß es das unveränderliche Bestreben des Wiener 
Hofes sein müsse, Preußen für sich zu haben, mit so einleuchtenden 
Gründen, daß der König davon vollkommen überzeugt wurde ½. 
Sonst so bedacht auf deutliche und unzweifelhafte Bestimmungen für 
die Zukunft, entschloß sich Friedrich Wilhelm diesmal die Erwähnung 
eines Aequivalents fallen zu lassen. Es schien ihm unmöglich, daß 
sich Oesterreich jemals von der Verbindung mit ihm lossagen sollte. 
Borck theilte das Vertrauen des Königs mit Nichten: er ließ 
sich durch eine besondere Urkunde (Decharge) bezeugen, daß der König 
ihn zur Nachgiebigkeit in diesem Punkte ermächtigt habe; er wollte 
die Verantwortung dafür nicht tragen. 
So kam am 23. December 1728 der Tractat zu Berlin zu 
Stande, den man als ein ewiges Bündniß bezeichnet hat. König 
Friedrich Wilhelm, der so lange eine mißtrauische, ja halb feindselige 
Haltung gegen Oesterreich beobachtet, kehrte zur Politik seines Vaters 
zurück. Mit ausdrücklicher Beziehung auf den ersten und zweiten 
Artikel des Kronvertrags erneuerte er die damals ausgesprochene Ge- 
währleistung aller kaiserlichen Erblande, so in als außer dem Reiche, 
und zwar nunmehr nach der im April 1713 erklärten Erbfolge- 
ordnung (der pragmatischen Sanction) zu Gunsten Maria Theresia's. 
Er machte sich anheischig, zur Behauptung derselben erforderlichen Falles 
1) Die Eingabe Seckendorfs ist vom 19. Dec. Der König schrieb dazu: 
General Bork und Knyphaufen, ich glaube daß er recht hat, denn es ist des 
Kaisers sein eigen Interesse, Preußen für sich zu haben.
	        
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