Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

78 Fünjtes Buch. Viertes Capitel. 
Gott empfahl und, seinen Geist in die ewigen Geschicke vertiefend, 
nicht aufstand, bis er auch in diesem Gebet erhört zu sein glauben 
durfte. So dankte man Gott in den Kirchen, daß er nach manchen 
betrübten Fällen das Haus und Reich seines Gesalbten, des Königs, 
aufs neue befestigt und vor aller Welt bestätigt habe. 
Recht im Geiste der großen Allianz, welche seit einem Viertel- 
jahrhundert die Politik und das Schicksal des Landes bestimmt hatte, 
lud man die Generalstaaten und Kaiser Carl VI zu Taufzeugen 
ein 0. Es bezeichnet das alte vertrauliche Verhältniß, daß die ersteren 
dem jungen Prinzen von Preußen und Oranien, denn diesen Titel 
gab man ihm in Erinnerung an seine Aeltermutter, Tochter Friedrich 
Heinrichs von Oranien, ein Geschenk machten, wie wohl begüterte 
Verwandten pflegten: zwei goldene Becher und eine goldene Cassette 
mit einem Leibrentenbrief auf 4000 Gulden. Indem der Kaiser die 
Pathenstelle annimmt, bei deren Antrag ihm Glück gegen seine Feinde 
in Rathschlägen und Handlungen gewünscht worden war, spricht er 
die Hoffnung aus, daß das gute Verständniß, das zwischen seinem 
und dem königlich preußischen Hause jederzeit gepflogen worden sei, 
bis ans Ende der Welt bestehen werde. In diesem Sinne fügte man 
bei der Taufe dem hohenzollerischen Namen einen habsburgisch-bur- 
Jundischen bei; man nannte den Prinzen Carl Friedrich, obgleich man 
beschloß, ihn für gewöhnlich allein Friedrich zu nennen?). Der junge 
Prinz ward recht feierlich zum Fortsetzer eines Bündnisses eingeweiht, 
das er gerade unterbrechen sollte. Die Sage liebt es, an der Wiege 
eines Helden Vorahnungen sekner Bestimmung zu sammeln: die Ge- 
schichte findet eher das Gegentheil. 
Friedrich Wilhelm vertraute die Pflege der ersten Jahre seines 
Sohnes denselben Händen an, unter denen seine eigene Kindheit ge- 
diehen war. Einer Französin, die ohne männliches Geleit die Aus- 
wanderung ihrer Familie durchzuführen gewußt hatte, um dem reli- 
giösen Zwange zu entgehen, Frau von Rocoulle, gebührt die Ehre, 
von zwei der thatkräftigsten Fürsten, die je auf einem Throne ge- 
1) Es finden sich noch Dankschreiben für die Wahl zur Taufzeugin von 
Kurfürstin Sophie, Hannover 3. Febr., und Herzogin Eleonore, Lüneburg 
6. Febr. 
2) Eine authentische Aufzeichnung hat sich hierüber noch nicht gefunden. 
Was aber die Sache historisch entscheidet, ist ein Schreiben des Kaisers, seines 
Pathen, vom 6. Januar 1731 mit der Ausfschrift: „Ihro Liebden Carl Fried- 
rich Cronprinzen von Preußen und Churprinzen von Brandenburg meinem 
lieben Vetter.“
	        
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