Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Jugendjahre Friedrichs II. 70 
sessen, die erste Erziehung, die so viel bedeutet, geleitet zu haben0. 
Den Fehler wenigstens, den man vielen Anderen in ihrem Falle vor- 
werfen darf, beging sie nicht: den eigenen Willen der ihrer Obhut 
anvertrauten Pflegebefohlenen suchte sie nicht zu brechen. 
So hatte auch General Finkenstein, der dem Prinzen, als er in 
sein siebentes Jahr ging, von dem nunmehrigen König zum Ober- 
hofmeister gegeben wurde, diesem selbst in seiner Jugend einige Jahre 
lang in einer ähnlichen Stellung zur Seite gestanden. Er war einer 
der seltenen Männer, vor deren Tugend die böse Nachrede zurück- 
weicht 2), von stiller Arbeitsamkeit, ein guter Wirth und prächtiger 
Bauherr, christlich-fromm und vor allem tapfer. Er hat einst in 
Frankreich, wohin er als Kriegsgefangener gerieth, ein paar Jahre 
als gemeiner Soldat die Pike getragen und sich dort, in der Fremde. 
durch kühne und glückliche Kriegsthaten emporgearbeitet; als Lud- 
wig XIV entschieden seine Waffen gegen Deutschland wandte, ist er 
zu den heimischen Fahnen zurückgekehrt; hier hat er dann zu dem 
Ruhme der preußischen Waffen nicht wenig beigetragen, bei Höchstädt 
wetteifernd mit Fürst Leopold, bei Malplaquet hat er in Erstürmung 
der französischen Schanzen wohl das Beste gethan. An seinem Bei- 
spiel bewährt Friedrich später den Grundsatz, daß nur der zu be- 
fehlen verstehe, wer gelernt habe zu gehorchen 3). 
Auch den Untergouverneur, den ihm Friedrich Wilhelm beigesellte, 
Oberstlicutenant Kalkstein, hatte er in den Niederlanden als einen 
tapfern Kriegsmann kennen gelernt. So zuverlässig sie waren, so 
hielt der König doch für gut, ihnen einc ausdrückliche Instruction zu 
geben, die für ihn selber sehr charakteristisch ausgefallen ist. Er legte 
dabei die für seine eigene Erziehung im Jahre 1695 geschriebene zu 
Grunde, veränderte sie aber in dem nunmehr in ihm ausgebildeten 
Sinne. 
Es hatte in ihm schon immer, ich weiß nicht, ob mehr Wider- 
willen oder Mitleiden erweckt, daß man den jungen dentschen Fürsten- 
1) Sie war Sonsgouvernante unter Frau von Kameke. „Commc elle 
ene parle quc Français, elle a appris sa langue aux enfants du roi, qui 
la parlent avec la meme facilité qdue la langue Allemande. Pöllnitz, 
Lettres I, 35. gl. Erman: Mémoires sur Sophie Charlotte 128. 
2) Pauli, Leben großer Helden VIII, 280, auf seine Weise: „wenn unfre 
Kirche sich das Recht anmaßte, Heilige zu ernennen, so wlirde Finkenstein die 
Hoffnung haben, darunter aufgenommen zu werden.“ 
3) Qui ne sait obéir, ne saura commander. Art de la guerre 
chant I.
	        
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