Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Jugendjahre Friedrichs II. 85 
inwohnte, so an dem ganzen Begriff von Leben und Welt, den sie 
mittheilten. 
Und wie junge Menschen zu thun pflegen, diesen Begriff wandte 
er nun auf die Dinge und Personen an, die er um sich her sah; an 
seines Vaters Hofe glaubte er Niemand zu finden, dem er Bildung 
zuschreiben könne, es müßte denn Einer und der Andere gewesen sein, 
der sich viel mit französischer Lectüre beschäftigte. 
Wenn man bedenkt, wie gewaltig die Umgebung, namentlich eine 
militärische, den jugendlichen Sinn zu ergreifen pflegt, so würde der 
Widerspruch, in den Friedrich sich gegen die seine setzte, zumal da er 
doch zuletzt noch mehr angeborenen militärischen Geist als literarischen 
bewiesen hat, noch auffallender sein, wenn man nicht wüßte, daß die 
Königin, seine Mutter, dazu beitrug. 
Sophie Dorothee war niemals ganz auf die Gesichtspunkte ihres 
Gemahls eingegangen; der einfache, beschränkte, von Allen, was zum 
Schmuck und höheren Genuß des Lebens diente, enblößte Haushalt 
genügte ihr nicht; sie tadelte Vieles von dem, was der König vor- 
nahm, und sah nach, wenn ihre beiden ältesten Kinder sich das Näm- 
liche erlaubten; sie richtete die Augen derselben nach dem lebens- 
froheren Ausland. Unter dieser zusammentreffenden Einwirkung, denn 
die Mutter liebte und begünstigte zugleich die Studien, jenen Ehrgeiz 
der Cultur, begann der Prinz das knappe, enge Soldatenwesen halb 
und halb für eine Pedanterie zu halten, an Paraden und Revüen 
eher Mißbehagen zu empfinden. Er dachte, einem Fürsten gezieme 
es ebenso wohl auf geistige Vergnügen zu denken, wie sie Musik, 
Theater und heitere Geselligkeit darbieten. 
Um so mehr war es ein Ereigniß für ihn, daß er im Februar 
1728 den Hof von Dresden sehen durfte. 
Die Mißhelligkeiten, welche bisher zwischen Friedrich Wilhelm I 
und August II obgewaltet, waren ausgeglichen worden; und so ver- 
schieden, ja beinahe entgegengesetzt ihre Sinnesweise bisher erschienen 
war, so trat doch nach und nach Manches heraus, was sie gemein 
hatten. August zeigte besonders in seinen späteren Jahren eine stei- 
gende Vorliebe für das Militärische; Friedrich Wilhelm folgte we- 
nigstens darin noch dem alten Herkommen der Höfe, daß er zu 
Zeiten an langen, reichlichen Gelagen gern Theil nahm. Nun hatte 
August II sich aus seinen vertrautesten Cavalieren eine besondere Ge- 
sellschaft (runde Tafel) gebildet, als deren Patron er erschien; König 
Friedrich Wilhelm, der als Genosse und Mitbruder eintrat, ward bald 
darauf als Compatron anerkannt, mit dem Recht, die Gesellschaft
	        
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