Jugendjahre Friedrichs II. 87
heimischen Zwang öffnete, mußte der wollüstige Hof, wo die ge—
schlechtlichen Verhältnisse sich aller Zucht und Rücksicht enthoben
hatten, einen verführerischen Reiz ausüben 1). Namen wüßte ich nicht
zu nennen, aber das Glück oder sein Genius wollten es so, daß er
seine Huldigungen einer Dame darbrachte, die wie er die Literatur
liebte und ihn in seiner Neigung zur Poesie bestärkte.
Ein dauerndes Verhältniß zwischen den beiden Höfen begründete
der Vorzug des sächsischen in der Pflege der Musik. Der Kronprinz
und seine ältere Schwester hegten, wie ihre Mutter sagt, eine Leiden-
schaft für Musik:). Auf Bitten der Königin, die darüber mit dem
Gesandten sprach, hatte August II die Gefälligkeit, seinen Virtuosen
Quanz und Weiß zu erlauben — denn ganz abtreten wollte er sie
nicht — von Zeit zu Zeit einen längeren Aufenthalt in Berlin zu
nehmen. Weiß unterrichtete die Prinzessin auf der Laute, Quanz den
Prinzen auf der Flöte; man weiß, mit welcher Virtuosität der erfin-
derische Meister dieses Instrument einzurichten und dann zu gebrauchen
verstand. Für Friedrich war die Uebung eine Quelle unendlichen
Vergnügens für sein ganzes Leben. Damals fühlte er sich glücklich,
wenn er nach Parade und Tafel Nachmittags die Uniform ablegen,
sich in den brokatnen Schlafrock werfen, sich mit seinen Büchern und
seiner Musik beschäftigen konnte.
Nothwendig aber gerieth er damit in Widerspruch mit den
Wünschen und Absichten, die sein Vater hegte, mit dessen ganzem
Sinne, und bald bekam er dafür seine Verstimmung zu empfinden.
1) Den romanhaften Erzählungen der Schwester setze ich die Versicherung
des Bruders entgegen. In einer eigenhändigen Aufzeichnung von August
Wilhelm, die leider zu kurz ist, heißt es von Friedrich: jamais il n’a en au
Penchant pour le sexe et encore moins pour le mariage.
2) Hören wir die Königin sprechen. Suhm berichtet 30. Juli, daß sie
dem König von Polen ihren Dank ausgesprochen für seine Gefälligkeit: en
luy envoyant des gens de sa musique et en luy permettant de les gar-
der quelque tems. Dann fügt sie hinzu: vous savez la passion de mes
enfans pour la musique, ils m'ont engagé à&à augmenter le nombre de
mes musiciens, il me manque un homme comme Quanz; pourrois-e es-
pérer due le roi qui a un si grand nombre d’habiles gens voulut me
Céder celui-Hà, je lui en aurois bien de T’obligation. — Besonders der
der Kronprinz, „qui apprend à jouer la flate traversière avec un succes
Etonnant“, wünscht Quanz, der schon am 6. Aug. anwesend ist. — Bald darauf
dankt die Königin, daß der König von Polen ihr vier seiner ersten Musiker
so lange gelassen: qufelle se serviroit de la liberte due V. Mé lui avoit
donner de faire venir de tems en tems Quanz.