Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Jugendjahre Friedrichs II. 91 
Der König meinte, wenn er ihn dreißig Schritt weit kommen 
sah, schlimme Gedanken zu bemerken, die er im Herzen habe, und 
behandelte ihn danach. Er sagte wohl: ein anderer Offizier, dem 
des Königs Gesicht miffalle, könne seinen Abschied nehmen, aber nicht 
der Prinz: der müsse bei ihm bleiben und sich ihm „conformiren“, 
oder er werde ein saures Leben haben. 
Er gab seinem Tadel so viel Oeffentlichkeit als möglich. Erst 
vor den Hausgenossen, dann den Offizieren des Regiments, dann den 
Generalen sprach er ihn aus. Dem Prinzen machte das, statt den 
mindesten Einfluß auf ihn auszuüben, nur seinen Zustand unerträg- 
lich, und der Wunsch stieg in ihm auf, sich auch wider den Willen 
seines Vaters vom Hofe loszureißen. 
Was ihn noch abhielt, einen resoluten Entschluß zu fassen, war 
die unentschiedene Lage der Verhältnisse zu England, die Europa um- 
faßten, für ihn aber, da sie seine Vermählung betrafen, zugleich die 
allerpersönlichste Beziehung hatten. 
Der dynastische Bestandtheil der europäüschen Geschichte hat hier wie 
so oft die innigste Verknüpfung mit den allgemeinen Angelegenheiten. 
Als Friedrich Wilhelm im Jahre 1725 mit dem König von 
England in Allianz trat, verhandelte, wie wir berührt, seine Ge- 
mahlin zugleich über eine neue Familienverbindung. 
Die Rede war zunächst von einer Vermählung der ältesten 
preußischen Prinzessin, Friederike Wilhelmine, mit dem dereinstigen 
Thronerben von England, Friedrich, Sohn des Prinzen von Wales: 
die englische Nation schien sie zu wünschen; der anwesende Minister 
war sehr dafür; König Georg 1 gab seiner Tochter, deren Herz 
daran hing, die besten Zusicherungen. 
Bindend aber waren diese nicht, nicht einmal schriftlich ). Man 
hielt in Berlin dafür, daß die Sache weder den deutschen Ministern 
in Hannover, noch einigen Andern von der nahen Umgebung Georgs 1 
gefalle. Dieser Fürst sagte nur immer, man solle ihn nicht drän- 
gen, sein Blut sei ihm lieber als alles Andere, aber er könne unreife 
Dinge nicht zu reifen machen. Er hatte hoffen lassen, den Prinzen 
Friedrich, der sich in Hannover aufhielt, nach Berlin zu schicken, um 
die spätere Verbindung durch genauere persönliche Bekanntschaft zu 
1) Friedrich Lilhelm an Wallenrodt 12. Aug. 1727: „daß der hochselige 
König, wie Lord Towushend gegen ench vorgegeben, über dieses Sujet jemals 
an uns geschrieben und uns deshalb eine positive Promesse gegeben habe, 
dessen erinnern wir uns nicht.“
	        
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