Erstes Capitel.
Wahl und Stellung Kaiser Carls VII.
Wenn wir uns der ersten Zeiten nach dem Ableben Carls VI
erinnern, so hegte damals der Wiener Hof wenig Zweifel, daß der-
Großherzog von Toskana, Gemahl der Königin, zur kaiserlichen Krone
gelangen würde. Man rechnete, daß man von den neun Kuren, die
zu dieser Zeit gezählt wurden, vier für sich habe: Mainz und Trier
von den geistlichen, Sachsen und Hannover von den weltlichen, und
über eine fünfte, die böhmische, selber verfüge. Den Kurfürsten von
Baiern, Carl Albert, der sich als Mithewerber ausfstellte, fürchtete
man so wenig, daß man es für möglich hielt, sogar den Bruder
desselben, den Kurfürsten von Köln, zu gewinnen, denn er esse doch
das Brod der Stifter, die sämmtlich gut österreichisch gesinnt seien.
Wir sahen, wie bereit Friedrich war, seine Stimme dem Großherzog
von Toskana zu geben, freilich unter der Bedingung, daß man seine
Rechte auf Schlesien anerkenne; hätte man sich hierüber verstanden,
so wäre die Erhebung des Großherzogs ohne Frage durchgeführt wor-
den. Schon war der Kurfürst von Mainz sehr geneigt, den Groß-
herzog, als Mitregenten von Böhmen, zur Wahlversammlung zu-
zulassen. .
Der Ausbruch der preußisch-zösterreichischen Irrungen machte aber
Alles ungewiß. «
Baiern und Pfalz, die seit einiger Zeit auch ihre letzte Streitig-
keit, über das Reichsvicariat, verglichen hatten, hielten eng zusammen:
so wenig zuverlässig der Kurfürst von Köln auch überhaupt war, so
mochte er sich doch bei einer so großen Aussicht seines Hauses von
demselben nicht trennen. Dagegen erhob der Kurfürst von Sachsen
gegen die Mitregentschaft des Herzogs von Lothringen einen sehr