Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

133 Elftes Buch. Drittes Capitel. 
ten Umständen angemessenen allgemeinen Feldzugsplan mit ihm zu 
verabreden. 
Da trat nun aber eines jener Ereignisse ein, welche die mensch- 
lichen Verhältnisse am durchgreifendsten bestimmen und doch jenseit 
aller menschlichen Berechnung liegen. Der Kaiser Carl VII, für dessen 
Autorität Friedrich noch einmal die Waffen ergriffen hatte, zwar noch 
nicht alt an Jahren, aber schon lange mit Krankheiten heimgesucht, 
und durch so mannichfaltige erfolglose Anstrengungen körperlich wie 
geistig erschöpft, starb eines doch noch immer sehr unerwarteten Todes 
am 20. Januar 1745. 
An seinen Namen, sein Leben, so schwach er an eigenen Streit- 
kräften sein mochte, knüpfte sich die Idee des von Oesterreich los- 
gerissenen Kaiserthums, das Friedrich begründet und aufrecht zu er- 
halten entschlossen war. Wäre Carl VII acht Monate früher ge- 
storben, so hätte die Politik Friedrichs eine ganz andere werden 
müssen; er würde keinen Anlaß gehabt haben, zu den Waffen zu 
greifen. Daß nun aber, nachdem der Krieg begonnen und, was noch 
mehr ist, nicht nach Wunsch gegangen war, die Persönlichkeit ver- 
schwand, die den allezeit verehrten kaiserlichen Namen trug und auf 
die sich alle Pläne bezogen, zu deren Gunsten der Krieg unternommen 
worden, war ein empfindliches und tief eingreifendes Mißgeschick. 
Der Gedanke, den Sohn des Verstorbenen an dessen Stelle zu 
setzen, konnte einen Augenblick die Köpfe beschäftigen, ließ sich aber 
doch nicht ausführen. Dieser junge Fürst, „ein frommes Kind“, 
wie ihn Seckendorf nannte, war persönlich viel zu unbedeutend, zu 
unselbständig, um ernstlich in Betracht zu kommen. Auch hatten die 
Franzosen an und für sich keine Neigung, ihn zu befördern. Der 
erste Eindruck, den die Nachricht von dem Tode des Kaisers in Paris 
machte, war vielmehr der, daß man diesen Verlust nicht eben sehr 
bedauerte. Hof und Land fühlten sich von einer Verpflichtung frei, 
welche in den letzten Jahren sehr lästig geworden war#), und wollten 
keine ähnliche mit dem Nachfolger eingehen. 
Dabei zwar blieben sie, daß sie den jungen Kurfürsten im Be- 
sitz seiner Erblande aufrecht erhalten, oder vielmehr erst recht in Be- 
sitz derselben setzen wollten; die kriegerischen Entwürfe, deren wir ge- 
dacht haben, sollten unter ihm so gut wie unter dem Vater aus- 
1) Infinement onéreuse par la manvaise conduite de l’empereur, de 
ses mionistres et généraux; iüs tous envisagent ccette morte comme un 
moyen, qui leur Drocureroit la paix. (Chambrier aus Paris).
	        
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