Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Zur Auffassung der deutschen Geschichte im achtzehnten Jahr- 
hundert ist es vielleicht nicht unnütz, sich einmal, wenn auch nur in 
flüchtigen Zügen, zu vergegenwärtigen, wie die Dinge im Jahre 
1740 und nachher gegangen sein könnten, ohne ein Preußen und 
einen Friedrich II. 
Das leidet keinen Zweifel, daß beim Abgang der männlichen 
Linie des Hauses Habsburg ein Krieg über die österreichische Erbfolge 
ausgebrochen wäre. Von jeder Annäherung oder Bundesgenossenschaft 
unabhängig waren die Besorgnisse vor der lothringischen Uebermacht 
und Feindseligkeit, die man in Versailles hegte, die Ansprüche des 
Hauses Wittelsbach, die man dort niemals aus den Augen verloren 
hatte, die Absichten des Familienehrgeizes der Bourbonen; Frankreich 
würde die Gelegenheit, den alten Streit, in welchem schon so große 
Erwerbungen gemacht, so viele glänzende Namen emporgekommen 
waren, zu Ende zu führen und sich auf immer als die vorwaltende 
Macht aufzustellen, unter allen Umständen ergriffen haben. 
Bei der Schwäche des damaligen Ministeriums und des ganzen 
Zustandes von Oesterreich in militärischer und finanzieller Hinsicht 
darf man nicht annehmen, daß es sich hiegegen besser vertheidigt 
haben würde als in den letzten Jahren; die Franzosen wären, ehe 
sich Jemand geregt hätte, Meister der Rheinlande und der Donau 
gewesen: sie würden in Böhmen so wenig Widerstand gefunden haben, 
als Friedrich zuerst in Schlesien fand; das fortgehende Glück, die 
großen Hoffnungen hätten August III ohne diesen Nachbar wahr- 
scheinlich noch eher auf die Politik seines Vaters zurückgeführt. Ob 
Rußland, nach dem Tode der Kaiserin durch innere Irrungen be- 
schäftigt, in Zeiten etwas dagegen hätte thun können oder thun 
wollen, ist doch sehr zweifelhaft. 
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