Zur Auffassung der deutschen Geschichte im achtzehnten Jahr-
hundert ist es vielleicht nicht unnütz, sich einmal, wenn auch nur in
flüchtigen Zügen, zu vergegenwärtigen, wie die Dinge im Jahre
1740 und nachher gegangen sein könnten, ohne ein Preußen und
einen Friedrich II.
Das leidet keinen Zweifel, daß beim Abgang der männlichen
Linie des Hauses Habsburg ein Krieg über die österreichische Erbfolge
ausgebrochen wäre. Von jeder Annäherung oder Bundesgenossenschaft
unabhängig waren die Besorgnisse vor der lothringischen Uebermacht
und Feindseligkeit, die man in Versailles hegte, die Ansprüche des
Hauses Wittelsbach, die man dort niemals aus den Augen verloren
hatte, die Absichten des Familienehrgeizes der Bourbonen; Frankreich
würde die Gelegenheit, den alten Streit, in welchem schon so große
Erwerbungen gemacht, so viele glänzende Namen emporgekommen
waren, zu Ende zu führen und sich auf immer als die vorwaltende
Macht aufzustellen, unter allen Umständen ergriffen haben.
Bei der Schwäche des damaligen Ministeriums und des ganzen
Zustandes von Oesterreich in militärischer und finanzieller Hinsicht
darf man nicht annehmen, daß es sich hiegegen besser vertheidigt
haben würde als in den letzten Jahren; die Franzosen wären, ehe
sich Jemand geregt hätte, Meister der Rheinlande und der Donau
gewesen: sie würden in Böhmen so wenig Widerstand gefunden haben,
als Friedrich zuerst in Schlesien fand; das fortgehende Glück, die
großen Hoffnungen hätten August III ohne diesen Nachbar wahr-
scheinlich noch eher auf die Politik seines Vaters zurückgeführt. Ob
Rußland, nach dem Tode der Kaiserin durch innere Irrungen be-
schäftigt, in Zeiten etwas dagegen hätte thun können oder thun
wollen, ist doch sehr zweifelhaft.
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