Die beiden Hauptaufgaben der GStaat3erziehung. 13
Kein fittliches Band verfnüpft im nadten Madıtjtaate Beherrichte und
Herrfchende. Die beiden Stlaffen leben in Urfehde, im ununterbrochenen
Kriegszuftande. Alle fittlihen Werte und Kräfte find bei biefer GStaatsauf-
faffung ausgefchaltet und fogar ind Gegenteil verfehrt. Die pure Machtlehre ver-
fehlt ihr Biel. „Sie rechtfertigt den Staat nicht, jondern fie vernichtet ihn;
fie ebnet der ftändigen Revolution die Wege“ (Gellinet 174).
Die Macht it nicht ein unbedingter Yiwed, fondern nur eing der mwid-
tigften Wefenabeftandteile de3 Staates. „Machtlofigfeit, Ohnmacht der Staat-
gemalt ift die Todfünde des Staates” ($hering, I, 311). Staat „ilt Die
Sefellihaft, welche zwingt. Der Staat ift die Form der geregelten und ge-
ficherten Ausübung der fozialen Smwangsgemwalt” ($hering, I, 307), it
nad Herbart die mit Macht gejtüßte Gefellihaft. Da der Staat ohne
Macht nicht beitehen fann und fofort auseinanderfällt oder entjtaatlicht, d. 5.
unterjodht mwird, wenn er feine Macht einbüßt, jo it allerdings die Madıt-
behauptung, Machtvermehrung fein allererjtes Bedürfnis. Die Machterhaltung
bleibt für ihn ein unabmendliches Naturbedütfnis, dem fich alle andern unter-
ordnen müffen, um von der Macht geftügt und gefördert zu werden. Go
ftefen aud im Machtgefihhtspunfte wichtige Erziehungsaufgaben; ilt doch die
Staatliche Macht Leibliche, geiftige, fittlihe und mirtfchaftlihe Madt. Welche
Erziehungsziele ergeben fich nicht fhon aus der bloßen Wehrmadt! Welche
aber exit au$ der ebenfo notwendigen Kulturmadht!
Um den Staat zu rechtfertigen, jtüßte man fich ferner auf die Nedhtzs-
lehre, indem man ihn nl3 Erzeugnis des Rechts anjah. Zmeifellos fommt
diefe Annahme fomoh! der wirklihen Natur des Staates mie den Bedürf-
niffen de3 Gemütes und des Gemiffens weit näher als die nadte Madhtlehre.
Sefhichtlich glaubte man ihr leicht Rechnung tragen zu fünnen. Der Staat
erjcheint ald ermeiterte Samilie, und fo ıft das GStaat3oberhaupt das ver-
größerte und mächtigere Familienhaupt. Zum andern erhob man die Staat3-
ordnung zum Schuß der Eigentumsordnung und fchuf hierzu befondere Ber-
tragslehren, die im gejellfchaftsbildenden Vereinigungsvertrage (pactio unionis)
und im ftaatsbildenden Untermerfungsvertrage (pactio subjectionis) gipfelten.
So Judte man die Einzelmohlfahtt mit der Gefamtmwohlfahrt auszugleichen.
Die tatfächliche Ausgleichung beider Intereffen galt al3 Rechtfertigungsgrund.
Aber [don Fichte erwies die jtaatsgefährliche Seite diefer Lehre: „Zu jeder
Revolution gehört die Rosfagung vom ehemaligen Bertrage und die Vereini-
gung durd) einen andern. Beides ijt rechtmäßig, mithin auc) jede Revolution,
in der beide3 auf die gefegmäßige (maturrechtliche) Art, das ift aus freiem
Willen, gefchieht.” So gibt man jedem Bewohner in jedem Augenblide das
Recht, den Staat zu verneinen. „So ilt die PVertragstheorie, logisch zu
198, gedacht, nicht jtaatsbegründend, fondern jtaat3auflöjend” (Kellinef,
Dennod) erbaute diefe Vertrags- und NRechtzlehre wichtige Früchte aud)
für die Staat3lehre, nämlich die Nechtsftellung des Einzelmefens, der Perfön-
Iichfeit gegenüber dem Staate.
Mande Philofophen fuchten mit Plato und Ariitoteles3 den
Staat als fittliche Notwendigkeit zu rechtfertigen. Außerhalb de3 Staates
wäre der Menich ein Gott oder ein Tier, d. 5. ein Unmenfh. Hobbe3,
Chr. Wolff, Kant, Fihte, Hegel madhen das Leben im Gtaate
und für den Staat zur höchften fittlichen Pflicht. Für Hegel ift der Staat
die höchite dialektifche Entwidlungzitufe des objektiven Geiftes und die Wirk-