Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

Die Lehren vom Zived de3 Staates ald Erziehungsaufgaben. 15 
gefhichtlichh natürliches und daher mehr oder iminber unbollfommenes Erbe 
mit zu verwalten und zu tragen hat, dennody it er auch niemals gänzlich 
bermwerflich, weil er aud) zugleich höhere XBerte verförpert. 
Die gefamte Staatslehre der Schule zerfällt bemgemäß: 
1. indie Naturlehre und Naturgefhichte des Staates, 
9. indie Sitten- und Wertlehre de3 Staates, 
oder 
1.in die Aufflärung über den Staat und 
2.in die Erziehung für den Staat. 
Staatsgemäß ijt jede Erziehung, die dem Gtaate erfenntnis- und ge- 
finnungsmäßig fein Dafein bejaht und dies in der ‘fugend neu und feit begründet. 
Sp muß jede tichtige Itaatsgemäße Erziehung im Schüler die Erfenntniß er- 
zeugen: l’etat c’est moi, d.h. au ich bin ein Ölied und Stüd des 
Staates. Sch bin für den Staat da, wie der Staat für mid), 
Die Lebren vom Zweck des Staates als Erziebungsaufgaben. 
Sellinef erklärt den Staat al3 die mit urfprünglicher Herrfhermadht 
ausgeltattete Gebietäförperfchaft (161). Die Gebietsförperichaft ift eine Ber- 
bandseinheit. „Sn der Verbandseinheit find Einheit des Ganzen und Biel- 
heit der Glieder notwendig miteinander verfnüpft” (157). Die Einheit ijt 
nämlich auf die Verbandszmede gerichtet und beichräntt. Der Staat ift in- 
fofern eine Zmedeinheit (209). Die Staatszwede aber umfpannen nicht alle 
menfchlihen Zmede, fondern nur „die Lebenäintereffen der Sejamtheit” 
(Baulfen, Ethi. Demnah Hat jeder Menjdh eine doppelte 
Stellung: 
1. al3 Berbandsglied, al Staatäglied, 
2. al3 verbandäfreie, ftaatsfreie Eigenperjönlichkeit. 
Al Verbandseinheit hat der Staat Bmede, denn ohne jte wäre er 
nichts. Der Zmedbegriff ift aber ein metaphnfifcher, philojophifcher. Deshalb 
vermweijt ung die Staatöphilofophie in3 Neich der Metaphufil, um tlarheit 
über die Staatszwede zu gewinnen. Wir mollen uns aber nicht mit den 
wiffenfchaftlich unerforfchlichen Zmeden des bloß begrifflihen Staates, chle ht- 
hin des Vernunftitaates, abmühen und bejchränfen uns deäiwegen auf Die 
tatjächlihen, Har erfaßbaren. 
Der Staat ijt nicht in dem Sinne ein Naturgebilde, daS alles, was in 
ihm gejchteht, mit blinder Naturnotwendigfeit fich ereignet. Vielmehr handelt 
der Staat aus beftimmten Gründen und nah Yiveden. „Liberal und fon- 
jervativ, ultramontan und fozialiftifch bedeuten guundfägliche Differenzen über 
die Nufgaben des Staates.” „Nur vom Standpunkte der Staatszmwede aus 
läßt fih ein Urteil über den Wert und Unmert der PBolitif eines Staates 
a „Alle politifchen Urteile find teleologifche Werturteile” (Fellinef, 
Die eudämoniftifch-utilitariftifche Theorie ift zuerit ausgebildet worden und 
leugtet jelbit dem urmücjfigen Bemußtfein ein, meshalb mir fie fchon bei 
den Griechen und Römern finden. Die Wohlfahrt des Einzelnen (Eudämo- 
nısmus) und der Gejamtheit (Utilitarismus) galt und gilt als hHöchites und 
einziges Ziel. Chr. Wolff betrachtet die in der Vervolllommnung beite- 
hende Glüdfeligfeit (felicitas) al3 das hödjfte Ziel des Menfchen und als 
da3 aller auf die Mitmenfchen gerichteter Handlungen, und im einzelnen find
	        
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