16 Erziehungslehres und Staat3iehre im allgenıeinen.
vitae sufficientia, tranquillitas et securitas die Hauptzwede de3 Staates.
Uam Smith und namentlid 3. Bentham forderten die größtmögliche
Steigerung des Slüdes der größtmöglihen Zahl als Hauptziel aller Entwid-
lung. Ohne Zweifel hat der Wohlfahrtsgedanfe eine hohe Bedeutung für
den Staat, obgleich er nicht da3 alleinige Biel fein fann.
Die Gemiffenzethif erblidt in der Vermwirkflihung der Sittlidhfeit
den Yiwed des Staates, wie Ihon PBlato und im vorigen Sahrhundert
Hegel und od. Stahl. Dennoh fann der Sittenzmwed nicht der oberite
und alleinige Staats;med fein, jonit müßten Staat und Stirhe zufammen>
a Mas für die Kirchen Ziel ijt, it für den Staat Mittel und Lebens-
orm.
Der Wohlfahrt3- und der Sittenzmwed find an jich unbegrenzt. Diefen
unbejchränften Staats;weden jtehen begrenzte gegenüber. Al Solche hat man
feit Zode die Sicherheit oder die Freiheit wer da Nedht auf
geftellt. Namentlih Kant war es, der DieAufrechterhaltung der Rechtsordnung
al3 einzigen Staatszwed zuließ Unitreitig gehören jie zu den Staateziveden,
aber fie fchliegen andre nicht au8.
Wa3 ausjchließlih der menfchlihen Ssnnerlichfeit angehört, das Fann
niemal3 der Staat erzeugen und fordern; er vermag nur die günjtigen
äußeren Bedingungen zu jegen, unter denen fich die inneren Werte: Religion,
Sittlichfeit, Kunit, Wiffenhaft entmwideln fönnen. Seinem Zugriff iit vieles
entzogen; und dies muß deswegen unmiderruflich Ulleingut der Perjon und
ihres freien Ermeffens bleiben. Keine jtaatsgemäße Erziehung darf daher
die einzelne Berjönlichkeit vernadläffigen; denn jonft jchädigt fie nicht nur
die einzelnen Zöglinge, fondern auc, dus Staats und Gemeinmejen; denn
jeder Bürger fan ja mit Qudmwig XIV. — freilih in anderem, bon
Shering erläutertem Sinne — fagen: l’etat c'est moi. Der Wert des
Staates fintt oder jteigt mit dem Werte feiner Bürger.
Da dem Staate das menschliche Innere verfchloffen ijt, Hat er es vor-
nehmlic mit den äußeren Handlungen der Wienjchen zu tun. “Dieje Hand-
lungen fann der Staat teild hemmen, teils fördern, unterdrüden oder her-
borrufen.
Was der Staat eritrebt, bezieht fich jtet3 auf Gemeinjfames, auf Gemein-
zwede. „Bewahren, Ordnen, Unterjtügen find die drei großen Stategorien”,
auf die fi die Staatehandlungen zurüdführen laffen. Se größer daS foli-
darifche Sntereffe ift, dejto mehr ilt der Staat zu feiner Befriedigung be»
rufen; je mehr einheitliche planmäßige Organifation zu dejjen Wahrung not»
wendig ift, deito ausfchliegliher it fie Sache de3 Staates" (Kellinek,
©. 227; ferner Baulfen, Syjtem der Ethik I, ©. 513 ff.)
Mit dem Hulturfortfchritt mwädjit dag Gemeinfame, und dies gewinnt an
Stärke und Kraft. Damit jteigert fi) aber aud) der Wert und du3 Maß
der Eigenart. „Se geiltig höher und fozial freier ein Jndividuum it, um fo mehr
wird e3 fi) im Dienfte der hödjiten Solidarintereffen ftehend betrachten.
Ausbildung der Xndividualität ijt Daher jelbiteines ber
hödften Solidarintereifen. Die Entwidlung eines Oangzen it
ftet3 durch die Entwidfung feiner Glieder bedingt” (Sellinel, 228).
Daraus ergibt fi, dag die jtaatdgemäße Erziehung durhaus mt der
perfongemäßen in Einklang jtehen fann. Gemiß lafjen jich begriffliche Gegen-
fäbe denken, aber die Wirklichfeit hat fie auszugleichen. Das, was für Die
Einzelerziehung fegensreich ift, Fan es auch für Die Staatöerziehung fein.