18 Erziehungslehre und Ctaatölehre im allgemeinen.
und aberntals Geld. Das Volf hat diefe Laften auf fic) zu nehmen. Murrt
eö tiber die Wehrlaften, fo bemweift es, daß ihm das Verftändnis des urfäch-
lichen Zufammenhanges aller diefer Erjcheinungen abgeht. E3 will zwar die
äußere Sicherheit und die daraus entfpringenden Vorteile, aber e3 will nicht
die ziwedentipredhenden Mittel. Diefe innere Zerflüftung ift ftet3 die Pfahl-
murzel de3 Yerfall3 und Niederganges der Völker und Staaten. Sie jagen:
der Staat ijt zwar für uns da, aber mir nicht für ihn, fie mollen Wohltaten
von ihm, lehnen aber deren Vergeltung ab: meld) grelles fittliches Mip-
verhältnis!
Das Hcer aber bedarf aud eines allgemeinen Verftändigungsmittels,
einer Heere3- und Dienftfpradye. Coll fie ihren Zmwed voll erfüllen, muß
fie zugleich die allgemeine Staat3- und Berfehrsjpradhe fein. Dies erhättet,
welch hohen jtaatlihen Wert die Pflege der Hohdeutfhen Shrift-
|prade befigt. Nur fie erjt mat — um mit Sarmey, das öffentliche
Recht (©. 51), zu reden — das Volk Handlungsfähig, geihäfts- und verfenrs-
fähig. Dieje gemeinfame Sprache erzeugt zugleich einen Schag gemein-
jamer ®edanfen, WVerturteile und Strebungen, die fid
als Höchit wichtige volf3- und ftaatzeinheitliche Bindemittel bewähren. Kunft
und Literatur haben eine hohe foziale und nationale Funktion und Mifjion
zu erfüllen und find nicht nur aus einzelperfönlichen, fondern nod) mehr
aus völfifhen und ftaatlihen Grunde und Önterefje zu pflegen.
Der gemeinfame Wille, dad Vaterland zu erhalten und meiter zu ent-
falten, er muß in der Sugend ftet3 von neuem entzündet werden. Hierzu
gehören aud) die gemeinjamen Nedht3- und Sittenanfchauungen. Denfen wir,
daß einmal unfer Voll in zwei Parteien fich fpaltete, von denen die eine
— die fommuniftifche — mit Broudhon lehrte, Eigentum ijt Diebftahl, während
die andere daS Gegenteil verträte. Dann märe der Staat in jeinen Örimp-
jejten erfchüttert. Ymifchen beiden beftinde fein Nechtsverhältnis mehr, weil
die gemeinfame NRedtsanfchjauung mangelte, fondern nur noch ein rohes,
frieggmäßiges Gemwaltverhältnis. Syede Partei würde die Ohnmacht erjtreben,
um die andere zu unterjochen, zu vernichten; denn zmwifdyen den beiden
Srundanfchauungen it Feine Ausföhnung, fein Vergleich möglich. Entweder
das Eigentum ift Necht, oder es it Diebitahl; aber e& fann nicht teils Necht
und teild Diebjtahl fein. Wa3 nad) der heutigen Redhtsanfchauung an irgend
einem „Befige” Diebitahl it, das erkennt eben das Recht gar nicht als Eigen-
tum an. Eigentum ift rechtlich al3 einmvandfrei anerfannter Befi.
Solde Zerflüftungen will man 3. ®B. aud ;zwifchen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer hervorrufen. Dem gegenüber hat man alle Volfsichichten das
„gegenfeitige unentbehrliche Aufeinanderangermiefenfein erfennen” (Schmidt,
199) oder mit Kerfchenfteiner die „Verflechtung Der Sinterefjen” (Be-
griff ©. 31) zu lehren. Nur fo, wenn der Arbeitnehmer erkennt, daß er nicht
nur Ausbeutungsgegenftand geldgieriger Unternehmer ijt, wenn der lrbeit-
geber auc) erkennt umd tatfächlid) beweiit, daß der Arbeiter mehr ijt al eine
bloße Arbeitsmafchine, fönnen fie einen WAusgleih ihrer an jid) teilmeife
gegenfäglichen Belange herbeiführen und fich als eine auf fittlihem Grunde
beruhende Arbeit- und Lebensgemeinfchaft adjten um betrachten. tl
meinen Yugen ijt politifhe Bildung nichts anderes als das richtige Verjtänonis
der eignen (und gemeinfamen) Snterejfen” ($hering, I, 548). u
Der Staat ift nicht nur eine äußere Einrichtung, eine bloß objektive
Tatjadhe. Er führt nicht nur ein gegenjtändliches Dafein in den Berfaffungsur-