Begetationsverhältnisse. 101
erwachsen, erheben sich schnurgerade, wie ungeheuere Säulen, astfrei bis 70“;
hoch oben breitet sich dann ihr anmuthiges Lanbdach aus. Die Tanne über-
wächst die Gipfel der Buche und gibt von Außen dem Walde das gleichför-
mige finstere Ansehen. Sie erreicht bei einem gesunden Alter von 3—400
Jahren eine Höhe von 130—150 ja 200 par. Fuß, einen Durchmesser von
4—7 Fuß; ältere sind anbrüchig. Solche Bestände sind keine Seltenheit und
der mittlere Holzvorrath beträgt 115 Klafter auf dem Tagwerk; es gibt aber
solche von 130 Klaftern. Einzelne Tannen liefern allein 10— 16 Klafter
Scheitholz (das Scheit zu 3½/ Fuß), abgerechnet das Gipfel= und Astholz.
Man spricht von solchen zu 23 und 25 Klaftern (im Revier Waldhaus und
Schönberg). Um viese Proportionen zu verstehen, muß man wissen, daß es
nach gewöhnlichen Begriffen etwas heißen will, wenn eine Tanne 5 oder 6
Klafter hat. Betrachtet man den Hirnschnitt eines solchen Stammes, eine
horizontal herausgeschnittene Scheibe, so erkennt man, daß das Wachsthum
der ersten 60—100 Jahre sehr langsam von statten ging; dann trat bedeu-
tender Holzansatz ein, bis über die 350 und 400 Jahre hinaus, wo dann
die Jahrringe unendlich eug werden. Es erklärt sich dies aus der urwald-
lichen Erziehung dieser Bäume, wo die Jugend lange verdämmt war.
„Außer diesem lebendigen Holzvorrathe bieten diese Wälder auch noch
einen todten: in den Bergen liegen Leichen gefallener Bäume, die da Ra-
nen genannt, und zum Brennen von Asche benutzt werden, wozu früher auch
lebende Buchen und Tannen geopfert wurden. Stellenweise sind sie hinweg-
geschafft. Im Forstamte Wolfstein liegen jetzt noch über 10,000 Klafter nutz-
bares Ranenholz, das sich zu Schindeln namentlich vortrefflich eignet, — der
Verwesung überlassen aber aufersteht als herrlicher Laubwald.“
Hunderte von jungen Buchen, Fichten und Tannen keimen auf solchen
Leichen und den modernden Stöcken gefällter Bäume, die sie mit ihren Wur-
zeln umgreifen, bis die fortschreitende Verwesung ihrer Unterlage sie genugsam
erstarken ließ, um endlich allein zu stehen. Daher jene so häufig zu sehenden
Stämme, welche nach unten sich scheinbar spaltend von mannshoch den Boden
überragenden säulenförmigen Wurzeln als von einem natürlichen Zwei= oder
Dreifuße getragen werden.
„Bei etwa 2800—3000 über der Meeresfläche begegnen uns Veränderun-
gen in der Beschaffenheit des Waldes, zunächst ein zahlreicheres Auftreten des
Ahorns. Der Traubenahorn (Acer Pseudoplatanus) ist der häufigere,
aber auch Spitzahorn (Acer plantanoides) sieht man und zwar merkwür-
diger Weise hier in dem nördlicher, also rauher gelegenen bayerischen Walde
auf größeren Bergeshöhen als in den Alpen. In den Alpen ist seine Grenze
3282', im Walde 3550“. Sonst liegen die Pflanzengrenzen im bayerischen Walde
in der Regel um 440“ niederer als in den Alpen. Die genannten Ahorne
find weniger in dichten Beständen, als an offenen Plätzen anzutreffen, und