Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

102 Vegetationsverhältnisse. 
da die Waldung in den unteren Lagen geschlossener zu sein pflegt, als in den 
oberen, so fangen sie erst hier an aufzutreten. 
„Bei 3500“ gewahren wir einen weiteren beträchtlichen Unterschied in der 
Vegetation. Die Tanne hat uns verlassen. Die Fichte, die in demselben Maße 
zunahm, als die Tanne sich verlor, ist dafür an ihre Stelle getreten. Allein 
sie selbst ist nicht mehr die alte hochstämmige schlanke Fichte; ihr Wuchs ist 
ein anderer geworden. Zwar noch immer ein ansehnlicher Baum von einem 
Stammesdurchmesser von 3 Fuß und selbst darüber, büßt sie an Höhe ein, was 
sie an Breite gewinnt. Der Stamm verdünnt sich konisch; die Zweige aber 
erlangen nun einen bedeutenden Umfang und reichen hängend weit herab. 
Aehnlich geht es auch der Buche, die hier gerundete Kronen bildet, schon 
unter 20 Fuß über dem Boden in Aeste sich theilend. Was ist die Ursache 
dieser Veränderung? Einfach das Licht. Denselben Wuchs zeigt auch die 
Fichte und Buche in der Niederung, wenn sie auf freiem Standorte erwach- 
sen. Wir sehen solche nur im Verhältnisse krüppelhafte Fichten um München 
im englischen Garten, auch solche Buchen. Das Licht befördert die Blattbil= 
dung. Im Schatten erwachsen, unter den natürlichen Verhältnissen, streckt sich 
der Baum nach dem Lichte und erst da, wo er desselben theilhaftig wird, bildet 
er seine Laubkrone aus. Das Licht nimmt zu, je höher wir uns erheben, die 
Sonnenstrahlen wirken intensiver, leuchtend sowohl als direkt erwärmend. Wir 
heißen jene konischen Fichten in der Forstsprache unseres Oberlandes Spitzfeich- 
ten. Auch das Holz dieser Bäume ist von dem gewöhnlichen Fichtenholze ver- 
schieden. Es zeichnet sich durch Gleichmäßigkeit und Feinheit der Jahresringe aus. 
Die Sommer auf jenen Höhen sind kurz und die Temperaturextreme viel geringer 
als im Thale. Deßhalb besteht das Holz dieser Fichten aus engeren, schmäleren 
und zärteren Jahresringen, mit geringerer Ausbildung des harten Herbsthel-= 
zes, hat also viel gleichmäßigere Textur. Diese Eigenthümlichkeiten machen 
es geeignet zu Resonanzböden für musikalische Instrumente; es wird zu sol- 
cher Verwendung bis nach England und Amerika versendet.“ Eine andere 
Eigenthümlichkeit, welche das Fichtenholz in Bergwaldungen häufig zeigt, be- 
steht in einer Maserung — einer Verbreiterung und unregelmäßigen Lagerung 
der Längsfasern — dem geschnittenen Holze ein geflammtes Ausehen erthei- 
lend. Man nennt solche Bäume Haselfichten. Auch dieses Holz wird, mit 
besonderer Rücksicht zugleich auf sein zierliches Aussehen, als Resonanzholz 
gesucht. 
„Die Tanne reicht im Mittel bis 3600/. Wenn wir uns einer Höhe von 
4000 nähern hört die Buche, die bis dahin ein schöner Baum war, plötzlich auf. 
Es ist dies gleichfalls eine Eigenthümlichkeit, die den bayerischen Wald auszeichnet. 
In den Alpen verliert sich die Buche allmälig als Strauch oder krüppelhafter 
Baum. An der Grenze der Buche ereignen sich auffallende Veränderungen in 
der ganzen Natur. Das einzige Laubholz ist der Traubenahorn, die Fichte
	        
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