Vegetationsverhältnisse. 103
das Nadelholz. Die Bestände werden lichter. Es sind das die Stellen, welche
mehr die Form einer Trift annehmen, einer Mittelform von Wald und
Wiese. Der Ahorn hört bei 4000“ zugleich mit der Buche auf. Die Fichte
wird immer konischer; bei 4300“ sehen wir die letzten Bäume, die aber krüp-
pelhaft genug sich ausnehmen: die Zweige auffallend einseitig gerichtet, immer
gegen Ost, die Höhe nur mehr 20—30“ betragend. In Strauchform reicht
sie aber noch bis zu den höchsten Gipfeln, und würde vielleicht noch höher
gehen, wenn die Berge höher wären. Auf den Gipfeln fällt uns eine neue
strauchähnliche Baumform auf, welcher wir auch in den Mooren der Thäler
begegnen. Sie hat auf Bergen bei 4000“ ihre untere Grenze. Es ist dieses
die Legföhre (Alpenföhre, Zwergkiefer, Krummholz, Latsche der Alpen, Pinus
Pumilio Kaenke). Sie erreicht hier höchstens 10° Höhe, bei einem Alter von
mehr als 100 Jahren. Ihre etwa schenkeldicken Stämme legen sich in Aeste
getheilt zu Boden. Ihr beigesellt ist auch ein Laubbaum zu sehen, die Eber-
esche (Vogelbeerbaum, in der Sprache des Volkes „Pfahlbaum“, Sorbus
Aucuparia).
„Der geschilderte Hochwald ist die eine Erscheinungsweise des Waldes in
unserem Gebiete. Neben ihr begegnen wir einer anderen gleichfalls ausge-
dehnten und im Haushalte der Bewohner wichtigen, das ist der Birken-
wald. Der Birkenwald des bayerischen Waldes, besonders in dem Striche
von Zwiesel bis Kötzting und Cham im Flor, ist eine Eigenthümlichkeit des-
selben, als Mittelform von Wald und Feld. Sein Vorkommen fällt in die
Region von 1300—2200“. Die Birke gedeiht zwar noch in höheren Regio-
nen, allein nur bis zur angedeuteten Grenze reicht dieser Wald als Betriebs-
form. Die äußere Erscheinung der Birkenberge bildet ein viel heitereres Bild
dar als der Hochwald, besonders im Frühlinge, wenn das erste zarte Grün
so frisch hervorsproßt, oder im goldenen Schmucke des Herbstes. Sie um-
gürten die Anhöhen mit freundlichem Gewande; tritt man aber in das In-
nere derselben, so verhalten sie sich gerade umgekehrt, wie die nach außen
düsteren Hochwälder. Sie stehen beide auf dem nämlichen guten, gründigen
Granitboden, aber das Unmaß von Fruchtbarkeit, welches uns in jenem im-
ponirt, hat sich im Birkenwalde zum Gegensatze verwandelt. Der verkrüppelte
Wuchs der Bäume, die spärliche Grasnarbe, zum Theil Heidel= und Preißel-
beergesträuche mit Flechten von dürftigem Ansehen gibt uns eine eben so un-
günstige Vorstellung von der Fruchtbarkeit des Bodens als die Tannenhoch-
wälder eine günstige. Die Ansprüche an den Boden sind hier zu vielfache.
Sollen voch die Birkenberge nicht blos Holz, sondern auch Futter, Streu und
Korn liefern! Sie werden von Heerden aller Art beweidet, das Laub jähr-
lich als Streu hinweggenommen, die Bäume selbst nach 15 bis 20, seltener 30
bis 36 Jahren gefällt (je nach der Oertlichkeit mit Hinterlassung von Samen-
bäumen), die Stöcke, der Rasen, das Reisig verbrannt, und nun Roggen oder
Kartoffeln gebaut, ein oder zwei Jahre (im zweiten Jahre gewöhnlich Hafer).