Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

162 Oberpfalz u. Regensburg. 
letzte Werk deutscher Kunst und deutscher Meister. Und wie sehr neigen sich 
auch hier schon alle Formen der altrömischen Bauweise zu, alle sonst keckauf- 
springenden Glieder des Baues bleiben näher der Erde, der Spitzbogen rundet 
sich immer mehr, alle Ornamentik geht in fremde Bildungen und in Kröpf- 
werk über. Interessant ist es, am freistehenden Thurme von St. Emmeran 
diese Umgestaltung der gothischen Motive (Sockel, Baldachine) zu betrachten. 
In den letzten Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts war der Umschwung 
vollbracht, die Gothik war vollkommen abgeworfen, der römische Baustyl hatte 
die alleinige Herrschaft errungen. Die alten Säulenordnungen kommen überall 
zur Anwendung, der Faoadenbau der römischen Tempel, der Dreiecksgiebel 
über Thüren und Fenstern, das Tonnengewölbe und der Kuppelbau, die Ge- 
simse und Lisenen der Römer erscheinen auch hier bei jedem Kirchen= und 
Pallastbau. 
Der bedeutendste Bau mag wohl die protestantische Dreifaltigkeits= 
kirche in Regensburg sein, zwischen den Jahren 1627— 31 ausgeführt von 
dem Baumeister Johann Karl Ingen von. Nürnberg, ein kolossales Wert, 
einschifig, ohne Säulen, mit gewaltigem Tonnengewölbe überspannt, 
mit geradem Chorschluß und zwei Kuppel--Thürmen im Osten, während 
drei reichgeschmückte Portale (zu Ehren der drei göttlichen Personen? 
den Eingang bilden. Die Fenster erscheinen in gedrückter Rundform 
oder als Vierecke mit rundem Abschluß. Erwägen wir die Länge 
von 200“, die Breite von 62“ und die innere Höhe von 45“, so 
wird uns die Großartigkeit dieses Bauwerks einleuchten, wenn wir auch nicht 
leugnen können, daß bereits das Längen= und Breitenverhältniß zu sehr gegen- 
über der Höhe vorwiegt. Der Zimmermeister Lorenz Friedrich, der den Dach- 
stuhl aufsetzte, scheint das gefühlt zu haben und gab darum diesem eine solche 
Höhe und steile Form, wie wir sonst kaum bei gothischen Bauten finden. 
Aehnlich ist die kolossale Klosterkirche in Waldsassen, ausgeführt zu 
Ende des siebzehnten Jahrhunderts, ebenso die Karmelitenkirche in Re- 
gensburg, der Westchor von Obermünster (1683), die Johanniskirche 
in Regensburg, die St. Klarenkirche ebenda (1613), und die Franzis- 
kanerkirche in Pfreimdt. Von Civilbauten dürften der Rathhaustheil 
von 1660 und das Schloß in Pfreimdt Erwähnung verdienen. 
Die Plastik hat in diesen Jahrhunderten noch Bewunderungswürdiges 
in Altären, Grabmälern und Statuen geschaffen. Ist auch ihren Gebilden 
die alte Anmuth und Frömmigkeit entschwunden, so kann man doch der er- 
greifenden Naturwahrheit und der vollendeten Durchführung derselben laute 
Anerkennung nicht versagen. Man betrachte die Erzgußwerke der Zeit, die 
Kreuzigung im Chor von Niedermünster oder das Grabmal des 
Fürstbischofs Philipp in Mitte des Domes (1598)1 Zu den trefflichsten 
Altarbauten gehört der Altar der Aebtissin Wandula in Obermünster, 
Scenen aus dem Leben Mariä, in weißem Marmor mit einer Feinheit und
	        
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