Die Sagen der Oberpfalz. 219
wandstück, ein Orts= oder Familienname an uralte slavische Siedelung.
Doch mögen das nur die restigen Denkmale einer längeren Seßhaftigkeit
wendischer Stämme sein, welche — vielleicht mit Ausnahme des nordöstlichen
Winkels der Oberpfalz — nicht sowohl germanisirt, als von germanischen
Völkerschaften verdrängt wurden.
Es findet sich eine dämmerige Bestätigung dessen in der Symbelik der
oberpfälzischen Sage. Sie erzählt von den zwerghaften Urbewohnern des
Landes, welche sich vor der Gewalt der nachrückenden sieghaften Völker in's
Fichtelgebirge flüchteten. In seinen geheimen Gängen und Gemächern sind
sie geborgen, und harren dort des Tages der Rache und der Freiheit. — Da-
gegen ist jedwedes unmittelbare Gedächtniß dieser vorgermanischen Zeit im
Volke erloschen. Die älteste geschichtliche Erinnerung knüpft sich wie in Bayern
so auch in der Oberpfalz an Karl den Großen. Das Fichtelgebirg und
insbesondere der Ochsenkopf vertritt die Stelle des Untersberges. In seiner
gold= und silberreichen Tiefe, in dem Krystallsaale, der erleuchtet wird von
dem Glanze der edlen Gesteine, die in funkelnden Reihen „wie die Zwiebel-
stränge“ aufgehangen sind, — in diesem geheimnißvollen Raume schläft der
Held Carolus magnus, auch „Prinz Karl“ genannt, mit all'’ seinen Mannen,
und harret des Kampfes mit dem Antichristen. Wann erst sein Bart sieben
Mal um die Tischplatte gewachsen sein wird, dann ist die Zeit erfüllt; dann
wird er erwachen und mit seinen Reißigen aus der Bergestiefe empor steigen,
um den Christen zum Siege zu verhelfen. Es wird Noth thun; denn um
dieselbige Zeit sind die Christen allbereits so zusammen geschmolzen, daß sie
insgesammt unter Eines Baumes Schatten essen können. An den Sieg
des großen Kaisers knüpft sich unmittelbar der Untergang der Welt.
Mit Kaiser Karl theilt ein ähnliches Schicksal der weise König Salo-
mon, der gleichfalls im Ochsenkopfe, nach Anderen im Steinwalde (östlichen
Ausläufer des Fichtelgebirgs) in der sogenannten Hankerlgrube schläft, bis
die Zeit köammt, wo er aufwachen und zu neuer Macht und Herrlichkeit ge-
langen wird. Eine weitere Sage versetzt Kaiser Karl den Fünften in einen
Sumpf zunächst der Stadt Weiden. Hier sitzt er in unterirdischem Gemache
am Tische, um welchen sein Bart bereits sechs Mal gewachsen ist. Nach dem
siebenten Male bricht er auf mitsammt seinen Reißigen, die ihn jetzt wie eine
Mauer umstehen, und vernichtet Alles im blutigen Kampfe. Dann kommt
das Ende der Welt.
Es ist die Mythe von der Götterdämmerung, welche in diesen Sagen
nachklingt. Für das Hereinbrechen dieser Katastrophe hat auch das ober-
pfälzische Volk seine Vorzeichen. Was den Bajuwaren der Birnbaum auf
der Walserhaide, ist ihm „der kalte Baum“, eine alte Steinlinde auf der
Hochebene zwischen Leuchtenberg und Vohenstrauß. Wenn einst sein Ast stark
genug sein wird, um einen geharnischten Reiter sammt dem Rosse zu tragen,
werden die Feinde in zahllosen Heerhaufen hereinbrechen von allen Richtun-