234 Oberpfalz u. Regensburg.
Spucksagen, soweit diese nicht in unmittelbarer Beziehung zur historischen Sage
oder kirchlichen Legende stehen. Was in dieser Richtung noch an sagenhafter
Ueberlieferung im Volke lebt, — und die Oberpfalz hat dessen einen uner-
gründlichen Schatz — weist großentheils auf altnordische und germanische
Mythe zurück. Indem wir an diesen mythologischen Gehalt der Volkssage an-
binden, greifen wir auch auf die Genesis derselben zurück, die nach einer
früher gefallenen Aeußerung (vergl. Bd. I. S. 311 in not.) für den Histo-
riker von entscheidendem Gewichte ist. Gegebenen Falles rücken wir damit
wenigstens einem Ziele näher; wir gewinnen, wie schon bemerkt, kräftige
Beweisstücke für die mannigfach angefochtene Behauptung, daß das oberpfäl-
zische Geblüt ein germanisches sei.
Hiernach mag es uns erlaubt sein, Zusammengehöriges und Verwand-
tes in gesonderten Abtheilungen zu behandeln. An die Spitze derselben sei die
mythische Gottheit gestellt, deren dämmerige Erinnerung die Sage wie ein
fernes, allgemach verklingendes Echo fortträgt. Wir beginnen
I. mit Wuotan, Wodan, dem allmächtigen, alldurchdringenden Wesen.
Seine geweihete Stätte ist der Wald, sein heiliges Thier der Schimmel;
er ist kennlich an seinem breiten Hute. Wodan offenbart sich im Winde,
und fährt — begleitet von den Walkyren — im Sturme daher.
Allenthalben in der oberpfälzischen Sage begegnen wir den Spuren des
heidnischen Gottes. Der Wald gilt noch heutzutage als geweihete Stätte. An
seinen Bäumen werden die Martertäfelchen und Heiligenbilder aufgehangen,
und die Todtenbretter, sonst gewöhnlich an die Feldraine hingepflanzt, finden in
der Oberpfalz häufig ihren Platz am Waldsaume oder im Schatten eines wilden
Birnbaumes am Felde. Die Bäume des Waldes stehen in hoher Verehrung;
„sie reden miteinander,“ sagt der Oberpfälzer, wenn der Wind durch's Ge-
äste weht, — sie haben ein geheimnißvolles Leben. Um Neuenhammer bitten
die Holzarbeiter einen schönen, gesunden Baum förmlich um Verzeihung, wenn
sie die Art an seinen Stamm legen. Der eigentliche Frevel am Baume,
der absichtslos und mit ruchbarer Hand verübte, ist deßhalb auch in der
Oberpfalz ein sehr geringer.
Herr und Hüter des Waldes ist der Hoymann (Hohmann, schwäb.:
Hojema, von Hoy — Hag, eingehegter Wald). Vom Hoymann erzählen die
Märchen in der ganzen Oberpfalz. Er ist gewaltig groß, trägt einen Schei-
benhut und hat statt des Haares und Bartes Moos und Baunfllechte. In
den Wäldern wandelt er umher, schwebt über den Gipfeln der Bäume oder
reitet auf einem weißen Rosse. Selten verläßt er den Hag, und es ist
etwas Ungewöhnliches, daß er — wie z. B. in Rötz am Allerseelentage —
sein Revier überschreitet und bis an das Weichbild des Städtchens geht. —
Sein Ruf ist „Hoy, hoy!“ und der tönt wie eine Klage, weil sein Reich
zu Ende gegangen.
Diese Züge lassen eine auffallende Aehnlichkeit mit Wodan nicht miß-