Die Sagen der Oberpfalz. 237
ihn nach vorne zu Boden warf. Und nun ging's hart über ihn weg mit
Gejohl und Geschrei, mit Hundehenlen und Peitschenknallen. Es war das
Gejag. Als es vorüber war, lief er heim, was er konnte, und kam verstört
und schweistriefend an. Des anderen Tages mußte er den Bader holen
lassen. Der Windstoß aber, der ihn auf's Gesicht hingeworfen, hatte ihn
gerettet, sonst wäre er zerrissen worden oder hätte mitjagen müssen. Nur
wenn man am Boden liegt, das Antlitz gegen die Erde gekehrt,
geht das Nachtgjoid schadlos über, Einen weg.
Ein Knecht auf der Oed am Bärnstein, umweit des Marktes Waldthurn
hörte einmal, da er schon im Dachstübel war und just zu Bette gehen wollte,
die wilde Jagd vorbeisansen. Beherzt und furchtlos, wie er war, schaute er
zur Dachlucke hinaus und rief dem Gejage spottend nach: „Hui, hui, mein'
Thal (Theil) a mit!“ Am dritten Tag lag er am Schragen. — Zu Zeiten,
namentlich in der Dreikönigsnacht, geht das Gioid auch im Geierberg bei
Mischlbach und im Eschenbühl bei Sandsee. —
Ein Seitenstück zu der niedersächsischen Sage von Hans von Hackeln-
berg, dem Oberjägermeister des Herzogs von Braunschweig, der im Thürin-
ger Walde jagt, erzählt man sich um Neunburg vor dem Walde. Es war
einmal zur Zeit, da man um der Religion willen Krieg führte, ein Ritter
von Blocksburg, der sich heimlich eine schöne Försterstochter zur Ehe nahm
und darüber verfolgt wurde. Da verband er sich mit dem bösen Feinde und
ward zum Höllenritter. Von ihm leitet sich die wilde Jagd ab. — Im Allge-
meinen heißt es, daß alle Jäger, edle wie gemeine, welche des Landmanns
Saat in wilder Lust verheeren, von diesen verflucht, und in Folge dieses
Fluches in das wilde Heer ausgenommen werden. —
Noch käme hier einer besonderen Gattung geisterhafter Reiter zu er-
wähnen, welche um Neustadt unter dem Namen: Kaltenegger bekannt sind.
Die Kaltenegger sind große Männer mit dreigespitzten Hüten — ein Zeichen
des späteren Ursprungs der Sage — welche in ganzen Schaaren auf mäch-
tigen Rossen über die Hohlgasse während der Dämmerung hinsprengen. Sie
reiten auf den Wanderer an, ohne ihn zu beschädigen, und erscheinen insbe-
sondere als Vorboten des Krieges. —
Einen wesentlichen Bestandtheil der wilden Jagd bilden in der Ober-
psalz die Holzhetzer. Theilweise übernehmen sie für sich allein die Rolle
des Hoymanns und seines Gefolges. Im Marcheneyerholze bei Bärnau ist
ein Stein, an welchem sie zusammen kommen, ehe sie auf das Hetzen aus-
gehen. Sie haben ihren Namen von der Hetzjagd, welche sie auf die armen
Holzfräulein anstellen.
Wir flechten hier — um des Zusammenhanges mit dem Nachtgjoid
willen — eine Schilderung der Holzfräulein und ihrer Sippe ein, obwohl
sie zu jener Gattung von Mittelwesen wie die Riesen, Zwerge, Schrazeln rc.
gehören, welchen wir nachgerade ein eigenes Kapitel schenken müssen.