252 Oberpfalz u. Regensburg.
ausspricht, erwies sich auf diesem Gebiete als das erhaltende und bewahrende
Element. Mit welcher Innigkeit, ja mit welcher Ehrfurcht er an diesen
Traditionen aus der Väterzeit hängt, mag derjenige bestätigen, welcher über-
haupt je den Versuch machte, ihn zu Mittheilungen über Gegenstände seines
Glaubens oder Aberglaubens zu bewegen. Obwohl sonst redselig und mit-
theilsam, hält der Oberpfälzer just hier scheu zurück. Er fürchtet die Profa-
nirung und will sich nicht der Gefahr aussetzen, in seiner Meinung und
Ansicht über diese Dinge beirrt zu werden. Wer nicht vertraut ist mit dem
Idiom, vertraut mit einzelnen Zügen aus dem Sagenkreise und mit den
entsprechenden Kunstausdrücken, wird vergeblich anklopfen oder nur höchst
unvollständige Berichte empfangen.“
Unzwerfelhaft hat auch die bisherige Abgeschiedenheit des Ländchens,
seine Entfernung von den Kreuzungen bedeutender Verkehrslinien das stille
Fortwuchern der Sage gefördert. In demselben Maaße, als es nach außen
mannigfach ein unbekanntes Thule geblieben, ward es selbst hinwider schwä-
cher berührt von dem Luftzuge der rationellen Gegenwart. Der Oberpfälzer
ist keineswegs unempfänglich für den Fortschritt; aber es hat ihm bisher
vielfältig an Anknüpfungspunkten gemangelt. Er wird jetzt, wo die Thore
seiner Heimath dem lebhafteren Verkehre geöffnet sind, auch die geheimniß-
volle Dämmerung seines Märchen= und Geisterglaubens einigermassen vom
Tageslichte verdrängen lassen. Wie viel oder wie wenig damit gewonnen
wird, ist eine andere Frage.
Noch ein drittes Moment dürfte als einflußreich in Absicht auf den
Umfang und die Reichhaltigkeit der oberpfälzischen Sage angesehen werden.
Es ist nahezu eine erhärtete Thatsache, daß der Märchenquell da am mäch-
tigsten sprudelt, wo er aus den Tiefen eines erz= und metallreichen Bodens
quillt. Wir gemahnen an die Fülle der Sagen im Böhmer= und Thüringer-
wald, im Fichtel- und Erzgebirge gegenüber der verhältnißmäßigen Armuth
in unserem südbayerischen Hochlande. Der Bergmann fördert sie aus dem
anregenden Dunkel seines Schachtes zu Tage, und theilt sie im Sonnen-
lichte mit.
Besteht in der Oberpfalz einerseits diese Voraussetzung, so ist anderer-
seits auch die Landschaft im Allgemeinen dazu angethan, die Stimmung hie-
für vorzubereiten. Die zahllosen melancholischen Weiher längs des Pfahles,
an der Haidenaab und in der Waldnaab-Niederung, die ungeheuerlichen
Formen der Granitblöcke im Böhmerwaldvorlande und der Jurafelsen im
Westgebiete, der eigene Charakter des vorwiegenden Föhrenwaldes — all'
das verfehlt nicht des Eindruckes auf den beschaulichen Oberpfälzer. Es ist
ein pantheistischer Zug in seinem Wesen; er belebt die ganze Natur mit
Elben und Geistern aller Art; er personifizirt gerne und gibt allen Erschei-
nungen eine symbolische Deutung. Die Bäume verstehen sich, sie singen
miteinander, wenn die Luft hindurch streicht; sie ächzen und bluten, wenn sie