Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

Volkssitte. 267 
etwa 15 bis 20 fl. und einer gleichen Anzahl von Ellen Leinwand begnügen, 
wovon sie zu gleichen Theilen „wergenes“ (wirkenes), „abbürst's“ (mittlere 
OQualität) und „flächsernes“ erhält, dazu an manchen Orten noch zwei Napf 
Lein zur Aussaat. 
Mit solch' bescheidenem Verdienste ist dem Luxus und Uebermuth die 
Spitze abgebrochen. Der Wirthshanebesuch ist deßhalb auch selbst an Sonn- 
Vergnügen gewähren kaum etliche Tage, wie Kathrein, Fastnacht und Kirch— 
weih — denen wir ein eigenes Kapitel schenken werden — Anlaß. Dagegen 
wird zur Sommerszeit, wenn's Feierabend ist, zu Nachbar und Gevatter 
„Hutze gegangen“!), um ein Stündlein zu verplaudern, und im Winter gilt 
noch dem Landgericht zum Trotze die Kunkel= oder Rockenstube. Als un- 
gefährlich wird sie geduldet, wo nur Weiber und Mädchen dran Theil neh- 
men und Mäuler und Rädchen schuurren lassen. Doch schleichen sich später 
gar häufig die Burschen zu, betheiligen sich am Geplauder, erlanben sich wohl 
auch sonst Scherz und Schabernack, oder müssen sich — wie am Regen um 
Reding, Nittenau, Falkenstein — selber an Rocken und Spinvel setzen. Dem 
läßt sich nicht wehren, obwohl vie Vilsecker Stadtverordnung die „Winkel- 
und Schaivelrockhen“ schon im sechzehnten Jahrhunderte scharf verpönt hat. 
In gewissen Gegenden, wie um Vohenftrauß, Neuftadt, Tirschenreuth, geht 
die Rockenstube regelmäßig von Haus zu Haus, bis ihr schließlich rie begin- 
nende Frühjahrsarbelt ein Ende macht. Der Schluß derselben wird durch 
die ssgenannte Letzt oder Abrupf gefeiert. Da wird der letzte Flachs ab- 
gesponnen, sodann Spinnrad und Spindel beiseite gestellt und der Lustbarkeit 
ihr Recht gelassen, an welcher auch die Burschen Theil nehmen dürfen. Häu- 
fig wird fie mit einem Tänzchen abgeschlossen. 
Eine gerechte Rockenstube, wie sie gewöhnlich von Martini bis Mitfasten 
ergehalten wird, hat Regel und Brauch, die nicht versäumt werden dürfen. 
Die Dirnen fahren in den Rocken (gehen in die Kunkel) etwa um sieben 
Uhr, wenn „g'nachtsüppelt“ ist. Dabei muß der Kienspahn im Lichtstocke 
brennen; denn wer im Dunkeln ohne Licht spinnt, spinnt sein Todtenhemd. 
Beim Spinnen werden die Finger am Munde naß gemacht, und se der Fa- 
den geritzt (genetzt). Zum Ritzwasser bedarf es einer Anfeuchtung; drum 
bat jede Spinnerin gedörrte Birnen oder Hutzeln bei sich, wovon fie von 
Zeit zu Zeit nascht. Kommen dann später die Buben, so werden wohl all- 
gemach Spinvel und Rad beiseite geschoben, und es wird „Scherz ausgelassen“ 
oder „Elend und Dummheiten“ gemacht, auch wohl Geisterspuck und Märchen 
erzählt. Samstags ist keine Rockenstube, da spinnt man einen Galgenstrick. 
Am Fastnachtsdienstag muß der Spinnrocken abgesponnen sein, sonst haben 
„. 
1) Das oberbayerische: „in den Heimgarten gehen“. (
	        
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