Full text: Bavaria. Landes und Volkskunde des Königreiches Bayern.

Vegetationsverhältnisse. 79 
Dem letzteren Florengebiete gehört der in Betrachtung gezogene Land- 
strich an, den südöstlichen Theil desselben bildend. Mit der hercynischen 
Flora stimmt daher auch die Flora des bayerischen Waldes zunächst überein; 
eine zweite Annäherung zeigt dieselbe noch an die Flora des südlichen und 
südöstlich angrenzenden alpinischen Gebietes, indem namentlich von Südost 
her aus dem Erzherzogthum Oesterreich, in welchem die Ausläufer des hercy- 
nischen und alpinischen Gebirgssystemes zusammenstossen, eine Anzahl alpini- 
scher und dem fernen pannonischen Vegetationsbezirk angehöriger Pflanzen noch 
auf das herchnische Gebiet übertreten und bis nach Bayern herein sich fort- 
ziehen, in dem bayerischen Walde aber auch die Grenzen ihrer Verbreitung 
in westlicher (Dentaria enneaphyllos), nordwestlicher (Arabis Halleri, Car- 
damine resedifolia, Meum Mutellina, Doronicum austriacum, Senecio 
subalpinus, Willemetia apargioides, Gentiana pannonica, Soldanella 
montana, Alnus viridis) oder in nördlicher Richtung (Lonicera coerulea, 
Hieracium staticefolium, Orobanche cruenta, Hemerocallis fulva, Car- 
pesium cernuum) finden. 
Am meisten ist die Flora des bayerischen Waldes von der des rheini- 
schen Gebietes verschieden, was sich sowohl darin ausspricht, daß ihr von der 
rheinischen Flora eine größere Anzahl Pflanzen fehlt, als von der alpinischen 
und herchnischen, als auch darin, daß von den Pflanzen des bayerischen Wal- 
des dem rheinischen Gebiete mehr abgeht, als den beiden anderen. 
Das zweite Moment, welches die Flora eines Landes bestimmt, sind die 
klimatischen Verhältnisse desselben. Diese hängen selbst wieder ab von 
der geographischen Lage des Gebietes und zeigen deßhalb, wenn die Verglei- 
chung auf kleinere und benachbarte Landestheile sich beschränkt immer nur 
geringe Verschiedenheiten. 
Unser Gebiet liegt zwischen dem 48° 31" (Jochenstein) und 50° (Wald- 
sossen), der mittlere Theil unter dem 49° 15“, ist also um 1° 75“ nördlicher 
as der Hauptzug der östlichen Alpen. Dem Unterschiede eines Breitegrades 
entsprichtin unseren Gegenden ein Unterschied der mittleren Jahreswärme der Luft 
ron O, 30. Die mittlere Gegend unseres Gebietes muß deßhalb um O0°,525 R. 
kälter sein, als die östlichen Alpen, oder die Punkte mit gleicher Jahrestempe- 
ratur, werden in den östlichen Alpen um 525“ höher liegen müssen, als in 
unserem Gebiete, da auf 1000“ Erhebung 1° R. Temperaturabnahme trifft. 
Nach Beobachtungen und Berechnungen, welche sich auf einen nicht zu weit 
von dem mittleren Theile unseres Gebietes entfernten Punkt beziehen, die 
Gegend nämlich unter dem 49° nördlicher Breite und 30° östlich von Ferro, 
wäre die mittlere Jahrestemperatur bei 1000°“ = 60°,75 R. 
Eine ähnliche Verringerung zeigt auch die Temperatur des Bodens, 
wie aus den Beobachtungen über die Wärme der Quellen hervorgeht. „Der 
Wald hat einen kalten Boden.“ Im Mittel sind bei gleicher Lage und gleicher 
Häöhe die Quellen im bayerischen Walde um 0°,87 kälter, als in den bayerischen
	        
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