Full text: Handbuch der Deutschen Verfassungen.

Bayern. 109 
Art. 8. In Bezug auf ein in Folge gegenwärtiger gesetzlicher Be- 
stimmungen erlassenes Verfassungs-Gesetz darf die ständische Initiative 
vor Ablauf von 12 Jahren nicht wieder geübt werden. 
Art. 9. Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem heutigen Tage in 
Wirksamkeit, und wird zum Staats-Grundgesetze erhoben. 
Unser Staatsminister des Innern ist mit dem Vollzuge beauftragt. 
Gegeben München, den 4. Juni 1848. 
Maximilian. 
v. Thon -Dittmer. Heintz. Lerchenfeld. Weishaupt. 
Graf v. Bray. v. Strauß, Staatsrath. 
Nach dem Befehle 
Seiner Moajestät des Königs: 
der geheime Secretär des Staatsrathes, 
Rath Seb. v. Kobell. 
3. Das sog. Verfassungs-Verständniß )2). 
8 I. Die Verfassungs-Urkunde Titel VII. § 3. räumt den Ständen 
das Willigungsrecht ein bezüglich 
A)M aller direkten Steuern; 
B) aller neu eingeführten, zu erhöhenden oder abzuändernden in- 
direkten Auflagen; 
und setzt in § 4. 5. und 8. desselben Titels Folgendes fest: 
I. Den Ständen wird je von 6 zu 6 Jahren ein Budget, d. h. 
„eine genaue Uebersicht des Staats-Bedürfnisses und 
der gesammten Staats-Einnahmen“ vorgelegt. 
II. Die Stände treten nach vorgängiger Prüfung dieses Budgets 
über die Steuerwilligung in Berathung, und willigen je für 
die nächsten sechs Jahre, „die zur Deckung der ordentlichen, be- 
1) Das sog. Verfassungs-Verständniß ist abgedruckt nach dem Ausschuß-Protokolle 
vom 14. Juni 1843 und dem Beschluß der Kammer der Reichsräte vom 12. Juli 1843 
aus den Verhandlungen der Kammer der Reichsräte 1842/43 Beilagen Bd. IV S. 269 ff. 
*!) Aus Anlah der zwischen Regierung und Kammern entstandenen Streitigkeiten 
über die Auslegung der angeführten Verfassungsparagraphen stellte im Jahre 1843 die 
Kammer der Reichsräte ihre Auffassung der streitigen Fragen in den nachfolgenden 
Sätzen zusammen, die von ihr am 12. Juli förmlich zum Beschluß erhoben wurden, nach- 
dem das Gesamtministerium durch Erklärung vom 30. Junt sein Einverständnis aus- 
esprochen hatte. In der Kammer der Abgeordneten fand keine Abstimmung und Beschluß- 
-Eassung statt; es wurde jedoch hier vom Finanzausschuß konstatiert, daß die von der Staats- 
regierung anerkannten Sätze in den meisten Punkten, wenn auch nicht in allen (Verhandl. 
der K. d. Abg. Beil. Bd. IX Abt. I S. 420), mit der von der Kammer bis dahin vertretenen 
und festgehaltenen Auslegung übereinstimmten. Dieses „Verfassungsverständniß“ von 
1843, das als solches dann auch im Landtagsabschied (Gesetzblatt Sp. 78) bezeichnet wurde, 
hat seither unter Vorbehalt der nicht ausgeglichenen Differenzpunkte, und ohne die Eigen- 
schaft einer authentischen Verfassungsinterpretation in Anspruch zu nehmen, bei Ausübung 
des Budgetbewilligungsrechtes als Grundlage gedient. 
 
	        
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