Braunschweig. 127
verletzter Verfassung gemacht werden, so wird zuvörderst ein eigener
Gerichtshof gebildet, welcher aus sieben Mitgliedern der höheren Justiz-
collegien bestehen soll. Drei Mitglieder desselben werden durch das
Loos aus den Mitgliedern des gemeinschaftlichen Oberappellations=
gerichts, auf den Antrag des Ausschusses oder der Ständeversammlung,
die übrigen vier aus den Mitgliedern des Landesgerichts, und zwar
zwei von der Landesregierung und zwei von der Ständeversammlung,
erwählt. Das Präsidium übernimmt das älteste der Mitglieder aus
dem Oberappellationsgerichte. Die erforderlichen Secretarien werden
dem Gerichte durch das Oberappellationsgericht beigeordnet.
110. 3. Verfahren und Erkenntniß. Fassen die
Stände den Beschluß, auf eine Untersuchung und Bestrafung anzutragen,
so wählen sie zugleich die zwei Mitglieder des Gerichtshofes und machen
von diesem Beschlusse und dessen Gründen, so wie von der getroffenen
Wahl bei der Regierung Anzeige, mit dem Ersuchen, daß diese gleich-
falls die erforderlichen Wahlen treffe. Zugleich benachrichtigen sie hievon
das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht, welches verpflichtet ist,
den gemeinschaftlichen Gerichtshof zu constituiren, und daher im Falle,
daß die erforderliche Zahl der Mitglieder des Landesgerichts nicht binnen
4 Wochen erwöählt sein sollte, die fehlenden durch das Loos bestimmen läßt.
Dieser Gerichtshof prüft zuvörderst: ob Grund zu einer Untersuchung
vorhanden sei? nachdem ihm der umständlich zu entwickelnde, und er-
forderlichen Falls mit den gehörigen Dokumenten versehene Antrag auf
Bestrafung übergeben ist. Er leitet bei vorhandenem Grunde die Unter-
suchung ein, führt dieselbe nach den Regeln des Untersuchungsprocesses
und fällt das Erkenntniß in erster und letzter Instanz. Dieses Erkenntniß
beschränkt sich auf die Beantwortung der Frage: ob der Angeklagte
sich der Verletzung einer, auf den vorliegenden Fall unzweifelhaft an-
wendbaren Bestimmung dieses Landesgrundgesetzes schuldig gemacht
habe oder nicht? und überlässt die Beurtheilung des in der Verletzung
des Grundgesetzes etwa liegenden gemeinen Vergehens, so wie die aus.
derselben entspringenden Entschädigungsansprüche den ordentlichen Ge-
richten. — Wird der Angeklagte schuldig erkannt, so ist davon bei dem
Beamten Dienstentlassung und bei den Mitgliedern des Ausschusses
Verlust der Abgeordneten-Eigenschaft und der Wählbarkeit die un-
mittelbare Folge.
Gegen das Erkenntniß findet kein anderes Rechtsmittel Statt, als
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen neuaufgefundener
Thatsachen oder Beweisgründe.
Die Verhandlungen und das Erkenntniß sollen auf Kosten des.
Gerichtefizeus durch den Druck öffentlich bekannt gemacht werden.
* 111. 4. Abolition solcher Untersuchung. Die
Abolie einer Untersuchung wegen verletzter Verfassung ist unzulässig,
und der Verurtheilte kann im Staatsdienste nicht wieder angestellt werden.
112. 5. Ausschließliche Competenz der Stände-
ver s ammlung. Nur die Ständeversammlung entscheidet darüber,
ob ein Verfahren wegen verletzter Verfassung einzuleiten sei. Hat sie
durch einen ordnungsmäßigen Beschluß das Verfahren der Mitglieder