Die Ssterreichischungerische Monarhie. (Februar 6. 12.) 193
dadurch nicht verletzt. Die Armee sei der ungarischen Gesetzgebung unter-
worfen und beruhe auf den Bewilligungen des ungarischen Reichstages.
Das Recht der ungarischen Staatssprache könne man jedoch nicht auf ge-
meinsame Institutionen anwenden. Die Opposition, möge nicht die ihr
durch die Hausorhnung. eingeräumte Freiheit mißbrauchen; denn eine Ob-
struktion gegen diese Vorlage, die man bekämpfen, aber nicht als verfas-
sungswidrig bezeichnen könne, wäre eine parlamentarische Revolution, die
dem Parlamentarismus zum Unheil gereichen würde. (Große Unruhe und
stürmischer Widerspruch links, lebhafter Beifall rechts.)
6. Februar. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ver-
weist alle Anträge auf Abänderung der Geschäftsordnung an einen
Ausschuß von 48 Mitgliedern.
12. Februar. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ge-
nehmigt die Vorlage über die Konvertierung der Rente von 4,2
Prozent in eine 4prozentige, wodurch 7,2 Millionen Kronen jähr-
lich erspart werden. (Annahme im Herrenhause 16. Februar.)
Die „Köln. Volksztg.“" schildert die Vorgeschichte dieses Beschlusses:
Bei der Begründung des Dualismus (1867) weigerte sich Ungarn, die von
Oesterreich ohne die parlamentarische Genehmigung Ungarns ausgegebenen
4,2 prozentigen Staatsschuld-Titres (Renten) mit zu übernehmen und ver-
pflichtete sich lediglich, einen jährlichen Zinsenbeitrag von etwa 30 Millionen
Gulden zu leisten. Oesterreich hat also allein für sich die sog. gemeinsame
Schuld übernommen und getragen, und zwar die ganze Staatsschuld. Nach
österreichischer Auffassung hat also Oesterreich das Recht, auch die ganze
Staatsschuld zu konvertieren, d. i. auch den Teil derselben, welcher dem
ungarischen Zinsenbeitrag pro rata entspricht. Ungarn müßte also, auch
wenn Oesterreich einen niedigeren Zinsfuß für die Rente einführt, d. h.
konvertiert, nach wie vor seine 30 Millionen jährlich zahlen. Nach öster-
reichischer Auffassung ist die Konvertierung lediglich eine Sache, die Oester-
reich mit den Besitzern der Rentenpapiere auszumachen hat. Bei den Aus-
gleichsverhandlungen zeigte sich aber, daß hierin Ungarn anderer Ansicht ist.
Ungarn glaubt, daß Oesterreich nur den auf unsere Rechtshälfte entfallenden
Teil der Staatsschuld ohne Genehmigung Ungarns konvertieren dürfe;
offenbar will also Ungarn auch eine Zinsenersparnis für sich herausschlagen.
Auch möchte sich Ungarn die Möglichkeit, die Rückzahlung des Kapitals
(oder eines Teils desselben) statt der Zinsenzahlung (oder zur Verminde-
rung seines Zinsenbeitrags) offen lassen und zwar nicht zum effektiven
Zinssatz von 4,2, sondern um 5 Prozent, der niemals bestanden hat; das
würde die Verpflichtung Ungarns an Oesterreich um rund 20 Millionen
Kronen herabmindern. Bei den Ausgleichsverhandlungen ergab sich nun,
daß sowohl die österreichische, wie die ungarische Regierung auf ihrem
Standpunkt beharrten, so daß die Frage aus dem Komplexe der Ausgleichs-
materien ausgeschaltet wurde. Gleichwohl wurden zwei Dinge als fest-
stehend angenommen: daß Ungarn seine Zinsenbeitragslast durch eine
Kapital--Rückzahlung erleichtern kann und daß, wenn auch Oesterreich seinen
Rechtsstandpunkt (die ganze Rente konvertieren zu können) aufrecht erhält,
es tatsächlich ohne Zustimmung Ungarns doch nur den auf Oesterreich ent-
fallenden Teil der Staatsschuld konvertieren solle. Daraufhin erklärte
Herr v. Körber, daß diese Frage ausgeschieden wurde, er fügte aber hinzu:
Die Bahn für die Konversion des unsere Reichshälfte belastenden über-
wiegenden Schuldteils ist frei; also nicht des ganzen Schuldteils im Be-
Europäischer Geschichtskalender. XLIV. 13