14 Deutsches Reich.
innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichs-
tag versammelt werden.
Art. 26. Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung
desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben
Session nicht wiederholt werden.
Art. 27. Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder
und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Dis-
ziplin durch eine Geschäfts-Ordnung und erwählt seinen Präsidenten,
seine Vizepräsidenten und Schriftführer.
Art. 281). Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehrheit.
Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der
gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.
Art. 29. Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des ge-
sammten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Art. 30. Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit
wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes
gethanen Aeußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst
außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.
Art. 31. Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied
desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten
Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn
es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages
ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden
erforderlich.
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen
ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs= oder Civilhaft für die
Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
Art. 32). Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine
Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Entschädigung nach Maßgabe
des Gesetzes.
VI. Zoll-= und Handelswesen.
Art. 33. Deutschland bildet ein Zoll= und Handelsgebiet, umgeben
von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer
Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen
Gebietstheile. ·
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates
befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und
dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden,
als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer
unterliegen.
1) Der frühere zweite Absatz des Art. 28 der Reichsverfassung ist durch Reichsgesetz
d. d. 24. Februar 1873 aufgehoben worden. Er lautete: „Bei der Beschlußfassung über
eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen
Reiche gemeinschaftlich ist, werden die Stimmen nur derjenigen Mitglieder gezählt, die
in Bundesstaaten gewählt sind, welchen die Angelegenben gemeinschaftlich ist.“
2) Art. 32 neu gefaht durch Gesetz vom 21. Mai 1906.