Full text: Handbuch der Deutschen Verfassungen.

Preußen. 281 
Art. 79. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Jede 
Kammer tritt auf den Antrag ihres Präsidenten oder von zehn Mit- 
gliedern zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher dann zunächst 
über diesen Antrag zu beschließen ist. 
Art. 80 1). Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fassen, 
wenn nicht die Mehrheit der gesetzlichen Anzahl ihrer Mitglieder an- 
wesend ist. Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmen- 
mehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen etwa 
zu bestimmenden Ausnahmen. 
5* 2. Das Herrenhaus kann keinen Beschluß fassen, wenn nicht 
mindestens sechszig der nach Maaßgabe der Verordnung vom 12. Oktober 
1854 (Gesetz-Sammlung S. 541—544) zu Sitz und Stimme berufenen 
Mitglieder anwesend sind. 
Der Artikel 80 der Verfassungs-Urkunde ist aufgehoben, insoweit er 
diesem Gesetze zuwiderläuft. 
Art. 81. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den 
König zu richten. 
Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine 
Bittschrift oder Adresse überreichen. 
Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister 
überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Beschwerden 
verlangen. 
Art. 82. Eine jede Kammer hat die Befugniß, Behufs ihrer In- 
formation Kommissionen zur Untersuchung von Thatfsachen zu er- 
nennen. 
Art. 83. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen 
Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Ueberzeugung und sind an Auf- 
träge und Instruktionen nicht gebunden. 
Art. 84. Sie können für ihre Abstimmungen in der Kammer 
niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der 
Kammer auf den Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft 
gezogen werden. 
Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während 
der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur 
Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Aus- 
Üübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages nach derselben 
ergriffen wird. 
w Geeiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden noth- 
endig. 
Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammer und eine 
lede Untersuchungs= oder Tivilhaft wird für die Dauer der Sitzungsperiode 
aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt. 
Art. 85. Die Mitglieder der zweiten Kammer erhalten aus der 
Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maaßgabe des Gesetzes. Ein 
Verzicht hierauf ist unstatthaft. 
7) Art. 80 ist abgeändert durch das angehängte Gesetz vom 30. Mai 1855 5P 2.
	        
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