282 Preußen.
Titel VI.
Von der richterlichen Gewalt.
Art. 86. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch
unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene
Gerichte ausgeübt.
Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und voll-
streckt.
Art. 87. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen
auf ihre Lebenszeit ernannt.
Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze
vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise enthoben werden.
Die vorläufige Amtssuspension, welche nicht kraft des Gesetzes eintritt,
und die unfreiwillige Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhe-
stand können nur aus den Ursachen und unter den Formen, welche im
Gesetze angegeben sind, und nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses
erfolgen. «
Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Organi-
sation der Gerichte oder ihrer Bezirke nöthig werden, finden diese Be-
stimmungen keine Anwendung.
Art. 87 at). Bei der Bildung gemeinschaftlicher Gerichte für
Preußische Gebietstheile und Gebiete anderer Bundesstaaten sind Ab-
weichungen von den Bestimmungen des Artikels 86 und des ersten Ab-
satzes im Artikel 87 zulässig.
Art. 882).
Art. 89. Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz
bestimmt.
Art
—
S
. 90. Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden,
welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat.
Art. 91. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten, ins-
besondere Handels= und Gewerbegerichte sollen im Wege der Gesetz-
gebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfniß solche erfordert.
Die Organisation und Zuständigkeit solcher Gerichte, das Verfahren
bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen Verhält-
nisse der letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch das Gesetz
festgestellt.
Art. 92. Es soll in Preußen nur Ein oberster Gerichtshof bestehen.
Art. 93. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in
Civil= und Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann
jedoch durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß des Gerichts
ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten
Gefahr droht.
In anderen Fällen kann die Oeffentlichkeit nur durch Gesetze be-
schränkt werden.
Art. 94 und 95 5).
) Art. 87a wurde der Verfassungsurkunde durch Gesetz vom 19. Februar 1879eingefügt.
*) Art. 88 aufgehoben durch Gesetz vom 30. April 1866.
) Art. 94 und 95 ersetzt durch obige Art. 2 und 3 des Eesetzes vom 21. Mai 1852.