Full text: Handbuch der Deutschen Verfassungen.

Reuß ä. L. 293 
38. Die Rechtspflege wird auf eine der Gleichheit vor dem Ee- 
setze entsprechende Weise in dem Maße ausgeübt werden, daß die 
privilegirten Gerichtsstände aufhören, soweit nicht einzelne auf Verträgen 
oder besonderen Verhältnissen beruhende Ausnahmen noch ferner noth- 
wendig bleiben. 
Die näheren Bestimmungen bleiben der Gesetzgebung vorbehalten. 
8 39. Für Strafsachen soll der Anklageproceß mit Oeffentlichkeit 
und Mündlichkeit der Verhandlungen eingeführt werden. In so weit 
die Umbildung der Gerichtsverfassung es nöthig macht, in dieser Be- 
ziehung mit anderen Staaten, insbesondere mit denen in Verbindung 
zu treten, für welche das Oberappellationsgericht 1) zu Jena als gemein- 
schaftlicher oberster Gerichtshof besteht, bleibt der Staatsregierung die 
Einleitung der desfallsigen Verhandlungen anheimgestellt. Das Er- 
gebniß ist seiner Zeit dem Landtage zur Genehmigung vorzulegen. 
Die Einsetzung von Friedensrichtern so wie die Einführung von freien 
Gerichtstagen ist in verfassungsmäßige Berathung zu ziehen. 
6 40. Die Verhaftung einer Person soll außer im Falle der Er- 
greifung auf frischer That nur geschehen in Kraft eines richterlichen mit 
Gründen versehenen Befehls. Dieser Befehl muß im Augenblicke der 
Verhaftung oder spätestens innerhalb des nächsten Tages dem Ver- 
hafteten zugestellt werden. 
Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Gefängniß= 
haft ist der Schuldige und nöthigenfalls der Staat dem Verletzten zur 
Genugthuung und Entschädigung verpflichtet. 
Die rücksichtlich der Militärpersonen erforderlichen Modifikationen 
dieser Bestimmungen werden einem besonderen Gesetze vorbehalten. 
*41. Eine Haussuchung ist nur zulässig 
1) in Kraft eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehls, 
welcher sofort oder spätestens innerhalb 24 Stunden dem Betheiligten 
zugestellt werden soll, 
2) im Falle der Verfolgung auf frischer That, durch die zu Folge 
ihrer Dienstpflicht berechtigten Personen, 
3) in den Fällen und Formen, in welchen das Gesetz ausnahms- 
weise bestimmten Beamten, auch ohne richterlichen Befehl dieselbe gestattet. 
Die Haussuchung muß, wenn thunlich, mit Zuziehung von Haus- 
genossen erfolgen. 
m5 42 2). Jedem, der sich durch einen Akt der Landesverwaltung in 
seinen Rechten verletzt glaubt, steht der Rechtsweg offen. 
Die etwa zur Verhütung des Mißbrauchs dieser Befugniß erforder- 
lichen Bestimmungen bleiben einem besonderen Gesetze vorbehalten. 
Die Klage ist gegen den Staat, wenn es sich aber um einen Akt 
einer Gemeindebehörde handelt, gegen die betreffende Gemeinde zu 
richten. Die §§ 3 und 4 des Gesetzes vom 1. November 1899 zur Aus- 
führung der Reichszivilprozeßordnung finden entsprechende Anwendung. 
¾ Oberlandesgericht seit dem Gerichtsorganisationsgesetz vom 21. November 1871. 
6), Zusatz der Absätze 3 und 4 durch Gesetz vom 25. Juli 1912.
	        
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