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gekommene Fall das Kennzeichen einer Injurie, Verleumdung oder
eines andern in den Gesetzen mit Strafe bedrohten Vergehens hat.
Die Aufrechthaltung der Ordnung in der Ständeversammlung steht
nach Maßgabe der Geschäftsordnung dem Präsidium zu. Der Landtag
selbst aber hat das Recht, seine Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens
auf Zeit oder für immer auszuschließen. Zeitliche Ausschließung kann
nur durch mindestens zwei Drittheile sämmtlicher Stimmen, gänzliche
Ausschließung nur mittelst Einstimmigkeit beschlossen werden.
Gegen erkannte Ausschließung bleibt dem Ausgeschlossenen die Be-
rufung auf die höchste Landesjustizstelle zur letzten Entscheidung offen.
Die Abgeordneten sind während der Dauer des Landtags persönlich
unverletzlich und können, außer dem Falle der Ergreifung auf frischer
That bei strafrechtlichen Vergehen und in Folge des Wechselverfahrens,
ohne Zustimmung des Landtags nicht verhaftet werden.
5* 66. Gesetzentwürfe können nur von dem Landesherrn durch die
Regierung an den Landtag, nicht von diesem an den Landesherrn ge-
bracht werden. Der Landtag kann aber auf neue Gesetze sowie auf
Aufhebung und Abänderung bestehender antragen. Auch darf ohne
dessen Zustimmung kein Gesetz erlassen, abgeändert oder authentisch
interpretirt werden.
§* 67. Der Landesherr erläßt und veröffentlicht die Gesetze mit
Bezug auf die erfolgte Zustimmung der Landesvertretung; er ertheilt
die zu deren Vollziehung und Handhabung erforderlichen sowie die aus
dem Aufsichts= und Verwaltungsrechte fließenden Verfügungen und Ver-
ordnungen.
Der Fürst erläßt auch, mit Ausnahme jeder Abänderung der Ver-
fassung, diejenigen ihrer Natur nach der ständischen Zustimmung be-
dürfenden Verordnungen, welche durch des Landes Wohl dringend
geboten sind und deren Zweck durch Verzögerung ganz oder zum Theil
vereitelt werden würde. Dergleichen Verordnungen müssen jedoch dem
Landtage bei dessen Zusammentritt zur Genehmigung vorgelegt werden
und es bleiben dafür, daß des Landes Wohl die Eile geboten habe, die
Mitglieder der Fürstlichen Landesregierung, welche für die Erlassung
der Verordnung gestimmt haben, verantwortlich, haben auch deshalb
sämmtlich dergleichen außerordentliche Verfügungen mit zu unterzeichnen.
5 68. Zur Ausführung der Beschlüsse des Norddeutschen Bundes ist
die Zustimmung der Landesvertretung nicht erforderlich, soweit nicht die
Bundesgesetzgebung etwas Anderes bestimmt. Die hierzu erweislich er-
forderlichen Mittel müssen aufgebracht werden; es findet jedoch rück-
sichtlich der Art der Aufbringung die verfassungsmäßige Mitwirkung der
Landesvertreter Statt.
5 69. Der Landtag ist verbunden, die vom Landesherrn an ihn
gebrachten Gegenstände vor allen übrigen in Berathung zu ziehen, wenn
nicht die Dringlichkeit eines Antrags der Landesvertretung von der
Staatsregierung anerkannt wird. Wird in Ermangelung dieses An-
erkenntnisses vom Landtage die Dringlichkeit durch eine Stimmen-
mehrheit von zwei Drittheilen erklärt, so muß die betreffende Vorlage