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das Recht zu, nach Ablauf der Bewilligungszeit noch ein Jahr weiter
unter Beziehung auf diesen Paragraphen der Verfassungsurkunde mittelst
öffentlich bekannt zu machender Verordnung die bestehenden Auflagen
durch die Landesregierung ausschreiben und forterheben zu lassen; es ist
jedoch dann spätestens sechs Monate vor Ablauf dieser einjährigen Frist
ein außerordentlicher Landtag einzuberufen. Wird auch auf diesem
außerordentlichen Landtage die Bewilligung abgelehnt, so ist die Ent-
scheidung des Bundes einzuholen.
Mit alleiniger Ausnahme des oben erwähnten Falles muß bei Aus-
schreibung der Landesabgaben die Bewilligung der Landesvertretung
ausdrücklich erwähnt werden; ohne solche sind weder die Einnehmer zur
Einforderung berechtigt, noch die Landesangehörigen zur Entrichtung
verpflichtet.
#73. Die Aufnahme neuer Landesschulden (§ 14) kann nur dann,
wenn äußere Verhältnisse die Einberufung der Stände unausführbar,
außerordentlich dringende und unvorhergesehene Ereignisse aber schleunige
finanzielle Maßregeln unerläßlich machen, vom Landesherrn unter Ver-
antwortlichkeit der dafür stimmenden Mitglieder der Landesregierung,
zu Deckung des Bedürfnisses vorläufig verfügt werden; es ist aber der
Landesvertretung bei dem, so bald als möglich zu veranlassenden, Zu-
sammentritt behufs der Ertheilung ihrer verfassungsmäßigen Zustimmung
die erforderliche Vorlage zu machen und über die Verwendung der er-
hobenen Gelder Nachweis zu geben.
74. Die Landesvertretung ist berechtigt, in Bezug auf alle zu
ihrem Wirkungskreise gehörigen Angelegenheiten ihre gemeinsamen Wünsche
und Anträge, namentlich auch wegen Abstellung wahrgenommener Ge-
brechen in der Landesverwaltung und Rechtspflege, dem Landesherrn
in geeigneter Form vorzulegen.
Auch jeder einzelner Abgeordneter ist befugt, seine Wünsche und
Anträge auf dem Landtage vorzubringen; die Landesvertretung ent-
scheidet, ob und in welcher Weise die Angelegenheit dem Landesherrn
vorgetragen werden soll. ·
§75.DieLandegoertretungIstberechtigt,Beschwerdengegendie
obersten Landesbehörden über die Anwendung der Gesetze in der Landes-
verwaltung und Rechtspflege an den Landesherru zu bringen. Unerlaubte
Handlungen oder grobe Dienstvernachlässigungen der der obersten Landes-
behörde untergeordneten Beamten können nur dann Gegenstand der
Beschwerde der Landesvertretung werden, wenn der dadurch unmittel-
bar Verletzte bei der betreffenden Oberbehörde vergeblich Beschwerde
erhoben hat.
56 76. Die Landesvertretung kann schriftliche Beschwerden der Unter-
thanen, nicht aber Deputationen annehmen. Ergiebt sich, daß eine solche
Beschwerde noch nicht auf dem verfassungsmäßigen Wege bis zu der
betreffenden obersten Behörde gelangt ist, so bleibt sie unberücksichtigt.
Im entgegengesetzten Falle und wenn der Landesvertretung die Be-
schwerde begründet erscheint, ist solche dem Landesherrn zu geeigneter
Berücksichtigung zu empfehlen. Das Ergebniß ist der Landesvertretung
durch die Regierung zu eröffnen.