Württemberg. 529
Die jährliche Kassenrechnung, welche mit Angabe aller einzelnen
Einnahmen und Ausgaben zu führen ist, wird von einer besondern
ständischen Commission probirt, in der Stände-Versammlung zum Vor-
trag gebracht und von dieser justificirt. Jedes Mitglied der Versammlung
kann die eigene Einsicht dieser Rechnung verlangen.
Der Betrag der Entschädigungen, Taggelder und Reisekosten, welchen
die Mitglieder der Ständeversammlung einschließlich der Mitglieder des
Ständischen Ausschusses kraft vorstehender Verfassungsbestimmung an-
zusprechen haben, wird durch Gesetz bestimmt.
X. Kapitel.
Von dem Staats-Gerichtshofe.
5* 195. Zum gerichtlichen Schutze der Verfassung wird ein Staats-
Gerichtshoferrichtet. Diese Behörde erkennt über Unternehmungen,
welche auf den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Ver-
letzung einzelner Punkte der Verfassung.
5*196. Der Staats-Gerichtshof besteht aus einem Präsidenten,
welcher von dem Könige aus den ersten Vorständen der höheren Gerichte
ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der König die Hälfte
aus den Mitgliedern jener Gerichte ernennt, die Stände-Versammlung
aber die andere Hälfte nebst drei Stellvertretern im Zusammentritte
beider Kammern außerhalb ihrer Mitte wählt.
Unter den ständischen Mitgliedern müssen wenigstens zwei Rechts-
Gelehrte seyn, welche auch, mit Vorbehalt der Einwilligung des Königes,
aus Königlichen Staatsdienern gewählt werden können. Außerdem
müssen die Mitglieder alle zur Stelle eines Stände-Mitgliedes erforder-
lichen Eigenschaften haben.
Das Canzlei-Personal wird aus dem Ober-Tribunal genommen.
* 197. Sämtliche Richter werden für diesen ihren Beruf besonders
verpflichtet, und können gleich den übrigen Justiz-Beamten nur durch
Urtheilsspruch ihrer Stelle als Mitglieder dieses Gerichtshofes entsetzt
werden. Nimmt jedoch ein ständischer Richter ein Staatsamt an, so
hört er dadurch auf, Mitglied dieser Stelle zu seyn, kann aber von der
Stände-Versammlung wieder gewählt werden. Ebenso tritt ein vom
Könige ernanntes Mitglied aus dem Gerichte, wenn es aufhört, sein
richterliches Hauptamt zu bekleiden. ·
§198.DagGerichtversammeltnchaufEmberufungdurchden
Präsidenten, welche von diesem sogleich geschehen muß, wenn er dazu
einen von dem Justiz-Minister contrasignirten Befehl des Königes oder
eine Aufforderung mit Angabe des Gegenstandes von einer der beiden
Kammern durch deren Präsidenten erhält. *-1.
Das Gericht löst sich auf, wenn der Proceß geendigt ist. Der
Präsident hat für die Vollziehung der Beschlüsse zu sorgen, und in
Anstands-Fällen das Gericht wieder zu versammeln.
5 199. Eine Anklage von!) dem Staats-Gerichtshofe, wegen der
:) „von“ ist vielleicht ein Schreibfehler; nach heutigem Sprachgebrauch erwartet man
ledenfalls „vor“.
Stoert-v. Rauchhaupytt, Handb. d. deutschen Verfassungen. 34