Vorwort.
Die Urkunden und Gesetze, aus welchen die Darstellung des deutschen
Staatsrechts schöpft, reichen in verschiedene Zeitabschnitte unserer
Geschichte zurück und laufen aus einem Viertelhundert räumlich weit
auseinanderliegender Rechtsquellen. Der Gründe genug, um ihre Er-
forschung und Benutzung vielen fast unmöglich zu machen und eine nur
geringe Vertrautheit der Volksglieder mit den öffentlich-rechtlichen
Normen und Einrichtungen der deutschen Bundesstaaten zu bewirken.
Die übersichtliche Darstellung des gesamten positiven deutschen
Verfassungsrechts tritt darum als bescheidene Leistung in den Dienst
eines wichtigen Problemsz sie stellt sich als eines der Hilfsmittel dar
zur Erreichung staatlicher Schulung. — Die publizistische Literatur hat
es von jeher für eine ihrer Pflichten erachtet, durch geeignete Quellen-
werke den Zugang zu den nationalen Rechtsdenkmälern offen zu halten;
den in Gericht und Schule, in Parlament und öffentlichem Leben an
Staatsfragen Beteiligten die genaue Kenntnis der verfassungsrechtlichen
Grundlagen zu erleichtern. Seit nahezu dreißig Jahren, seit H. A. Zacha-
riaes Sammlung der „deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart"“
(Göttingen 1855—1862) fehlt es unserer Literatur jedoch an einer ver-
läßlichen Ubersicht der seither wesentlich modifizierten älteren und der
in Wirksamkeit getretenen zahlreichen neuen Verfassungsgesetze der
deutschen Staaten. Diesen Ausfall zu decken, an die Stelle des Ver-
alteten das wirklich Bestehende zu setzen, ist die Aufgabe der vorliegen-
den Sammlung, welche sich der Herausgeber ursprünglich für die Zwecke
seiner staatsrechtlichen Vorlesungen und Ubungen angelegt hatte.
Die Mannigfaltigkeit der Formen und Gestaltungen, welche das
staatliche Leben des deutschen Volkes von alters her angenommen hat,
machte von jeher eine erschöpfende systematische und zugleich positio-
rechtliche Darstellung des deutschen Staatsrechts zu einem Unter-
nehmen, dessen bestangelegter Plan an dem Parallelismus einer Viel-
heit selbständiger Verfassungssysteme notwendig scheitern mußte. Die
vorzüglichsten Darstellungen der Materie suchen daher mit Recht überall
nur die leitenden Gedanken der deutschen Staatsentwicklung hervor-
zuheben und halten es nicht innerhalb der Aufgabe einer systematischen
Behandlung des öffentlichen Rechts gelegen, das ganze Detail der Einzel-