Object: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band I. Deutsches Reichsstaatsrecht. (1)

36 Zweiter Abschnitt: Das rechtliche Verhältnis d. Reiches zu den Gliedstaaten. $7 
  
  
aufgehoben, etwa mit anderen vereinigt oder zu Reichsland erklärt werden 
können. Dagegen ist die Fortentwicklung des Reiches zum Einheitsstaat auf 
dem Wege der Reichsgesetzgebung verfassungsmässig nicht ausgeschlossen ; 
die Einzelstaaten haben aber dagegen einen sehr wirksamen Schutz in der 
Bestimmung des Art. 78, dass 14 Stimmen im Bundesrat genügen, um jede 
Kompetenz-Erweiterung des Reiches zu verhindern. Völlig zweifellos ist es 
ferner, dass die Reichsverfassung jeden Bundesstaat vor gewaltsamen und 
widerrechtlichen Angriffen sichert. Die Frage, um welche es sich handelt, 
ist daher lediglich die, ob die rechtmässige Vereinigung mehrerer 
Staaten zu einem, sei es infolge des gültigen Thronfolgerechts, sei es infolge 
rechtsgültiger Staatsverträge, durch ein verfassungsänderndes Reichsgesetz 
genehmigt werden muss. Diese Frage würde zu bejahen sein, wenn die Reichs- 
verfassung die Fortdauer derjenigen Staaten, welche bei der Reichsgründung 
vorhanden waren und noch jetzt bestehen, ausdrücklich oder stillschweigend 
anordnen würde. Einen solchen Rechtssatz enthält die Reichsverfassung aber 
nicht. Sie enthält zwar an 3 Stellen, in der Einleitung, im Art. 1 und Art. 6, 
einen Katalog der Staaten; aber an allen 3 Stellen hat diese Aufzählung 
nicht die Bedeutung einer selbständigen Rechtssatzung. In der Einleitung 
wird lediglich erzählt, welche Staaten zur Reichsgründung sich vereinigt haben ; 
im Art. 1 wird der Umfang des Bundesgebietes dadurch definiert, dass die 
Staaten genannt werden, deren Gebiete es umfasst; und im Art. 6 wird dem 
Prinzip über die Verteilung der Stimmen im Bundesrat ein Register der 
infolge dieses Prinzips den einzelnen Staaten zustehenden Stimmen beige- 
fügt. Aus dem Wesen des Reiches als Bundesstaat folgt aber ebenfalls nicht 
die Unveränderlichkeit seines Mitglieder-Bestandes; denn wenn auch zuzu- 
geben ist, dass das Deutsche Reich als Bundesstaat nicht gedacht werden 
kann ohne autonome Staaten, so lässt sich doch gewiss nicht behaupten, 
dass das Deutsche Reich aufhören würde ein Bundesstaat zu sein, wenn es 
statt aus 25 aus einigen Gliedstaaten weniger oder mehr bestünde }). 
1) Vgl. über die einzelnen, in Betracht kommenden Fragen mein Staatsr. des 
D. R. (5. Aufl.) I. S. 128 fg.
	        
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