Lolamontane und Ultramontane. 659
richteten, das mußte der einfältig ehrliche Polterer Jacob Venedey in Paris
erfahren. Er schrieb als germanischer Tugendbold und Keuschheitswächter
einen flegelhaften Aufsatz „die spanische Tänzerin und die deutsche Frei—
heit.“ Da die deutschen Zeitungen, der Zensur halber, sein Machwerk
nicht aufnehmen konnten, so wendete er sich an Marrast, den Heraus—
geber des National. Der aber meinte trocken: die Freundin der Liberalen
können wir nicht bekämpfen. Nun ging Venedey zu den Fourieristen Con—
siderant und Cantagrel; sie lachten ihn aus: die deutschen Liberalen wären
„absurd“, wenn sie sich an „die alte Moral“ hielten und nach dem Lebens—
wandel ihrer Beschützerin fragten! Als der deutsche Demagog darauf mit
dem ganzen Pathos des alten Burschenschafters ausrief: aus besudelten
Händen nehme ich die Freiheit nicht an — da erwiderte ihm Cantagrel,
der die Dame noch von ihren Pariser Zeiten her gründlich kannte, sieg—
reich: o nein, Lolas Hände sind sehr rein und schön! Das alles ließ
Venedey drucken; er ahnte nicht, wie lächerlich er sich machte. Und doch
war es ein unheimliches Zeichen der Zeit, daß ein deutscher König, der
Schirmherr der Kirche, also von den Predigern der „neuen Moral“ des
Kommunismus in Schutz genommen wurde.
Der Landtag, der im Oktober 1847 für kurze Zeit zusammentrat, um
über eine neue Eisenbahn-Anleihe zu beschließen, hielt sich ruhig: denn
über den Skandal, der alle Welt beschäftigte, durfte man auf der Redner—
bühne nichts sagen. Auch waren die Liberalen aus den Provinzen, zumal
die Pfälzer, herzlich froh, der verhaßten klerikalen Herrschaft endlich ent—
ledigt zu sein, sie freuten sich des überall umhergetragenen königlichen
Wortes: das Jesuiten-Regiment hat aufgehört in Bayern. Der Haß
gegen die gestürzte Partei entlud sich nur in einigen stürmischen Auftritten.
Von den Reichsräten verlangte Fürst Wrede kurzweg die Ausschließung
des neuen Münchener Erzbischofs, der im Germanikum den Jesuiteneid
geleistet hätte; Graf Reisach versicherte darauf, mit einer alle Sachkundigen
erschreckenden Unschuld: daß er der Gesellschaft Jesu nicht angehöre. In der
Adresse sprach die zweite Kammer den neuen Räten der Krone ihr Ver—
trauen aus und zugleich die Hoffnung, daß „die großartige Schöpfung des
Zollvereins zu einer noch vollständigeren Vereinigung aller deutschen
Volksstämme führen möge“. Der also angeschlagene liberale Ton klang
mächtig wieder, als ein Antrag auf Preßfreiheit beraten und schließlich
selbst von den Reichsräten beinah einstimmig angenommen wurde. Der
König willfahrte dem Wunsche, da die so oft besprochene Revision des
Bundespreßgesetzes doch noch in weitem Felde lag, und verfügte am
17. Dez. — dem Bundesrechte zuwider — daß fortan nur noch die
Artikel über auswärtige Politik der Zensur unterliegen sollten.
Aber ehe das Land noch dieses Geschenkes froh werden konnte, brach
das Ministerium Maurer schon zusammen. Es war Ludwigs tragisches
Verhängnis, daß ihm seine törichte Liebe jetzt auch seine wohldurchdachten
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