72 I. 5. Der Kuliurkampf im Jahre 1872.
Inzwischen hatte auch das Deutsche Neich einen neuen schlagenden Beweis von
der Feindseligkeit der römischen Kurie erhalten. Fürst Bismarck war, trotz der bis-
herigen Haltung des Papstes, welcher offensichtlich die beiden preußischen Bischöfe und
deren Geistlichkeit zu ihrer Empörung gegen die staatliche Ordnung Preußens ermun-
tert hatte, stets bemüht geblieben, sich auf diplomatischem Wege mit dem römischen
Stuhl zu verständigen, und deshalb war auch nach Versetzung des Grasen Arnim von
Nom nach Paris der deutsche Geschäftsträger von Derenthall in Nom geblieben.
Jetzt, im April 1872, hatte Bismarck, mit Zustimmung des Kaisers, beschlossen, den
Kardinal Fürsten Hohenlohe, den Bruder des vormaligen bayrischen Minister-
präsidenten, zum deutschen Botschafter beim päpstlichen Stuhl zu ernennen.
Kardinal Hohenlohe war zwar ein deutschgesinnter Mann, aber da er Kardinal und
päpstlicher Kämmerer war und im vatikanischen Konzil für die Unfehlbarkeit gestimmt
hatte, so durfte vorausgesetzt werden, daß seine Persönlichkeit dem Papst genehm sei,
zumal da „jedem Unbefangenen einleuchten wird, daß ein Kardinal kein brauchbares
Werkzeug zur Vertretung feindlicher Absichten gegen den Papst sein würde“. So
schrieb Bismarck am 28. April vertraulich an Arnim nach Paris. Ebenso vertraulich
unterrichtete am 25. April Herr von Derenthall in Rom den Kardinal-Staatssekretär
Antonelli von der Ernennung Hohenlohes zum deutschen Botschafter in Nom, mit
der Erklärung, daß der Kardinal sich „unverweilt nach Nom begeben werde, um sich
persönlich zu versichern, ob diese Ernennung dem heiligen Vater genehm wäre und
im Falle einer günstigen Antwort Sr. Heiligkeit sein Beglaubigungsschreiben zu über-
reichen“. Da Herr von Derenthall auf diese im diplomatischen Verkehr übliche höf-
liche Mitteilung eine Antwort überhaupt nicht erhielt, sondern nur Hohenlohce vertrau-
lich unterrichtet wurde, daß man in Rom seine Erneummg ablehne, so umterblieb die
Nomreise des Kardinals natürlich, und am 1. Mai wiederholte von Derenthalt im
Auftrage des Fürsten Bismarck seine Anfrage an Antonelli, ob die Ernennung des
Fürsten Hohenlohe zum deutschen Botschafter in Rom dem Papst erwünscht sei. An-
tonelli suchte sein nach dem guten Ton des diplomatischen Verkehrs durchaus un-
gewöhnliches Schweigen am 2. Mai zunächst damit zu entschuldigen, daß der Kar-
dinal Hohenlohe die angekündigte Romsahrt unterlassen habe, und sagte dann in der
Sache selbst: der Papst bedaure, „einen Kardinal der heiligen römischen Kirche, auch
wegen der angenblicklichen Verhältnisse des heiligen Stuhles, zur Annahme eines so
delikaten und wichtigen Amtes nicht ermächtigen zu können“.
Um diesen gegen das Deutsche Reich und dessen Oberhaupt geführten Streich
noch empfindlicher und brutaler zu machen, verösfentlichten die römischen Jesuiten
diesen Beschluß der Kurie in den Zeitungen der deutschen Jesuiten schon am 1. Mai,
also noch ehe Antonelli dem deutschen Geschäftsträger in Nom die amtliche Anzeige
von der Zurückweisung Hohenlohes nur gemacht hatte! Bismarck ließ darauf den
amtlichen Briefwechsel in dieser Angelegenheit in der „Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung“ veröffentlichen und in der „Provinzialkorrespondenz“ schreiben: die Ernen-
nung Hohenlohes sei „ein Schritt der Versöhnlichkeit und zuversichtlichen Entgegen-
kommens“ gewesen, in der ablehnenden Antwort des Papstes aber erkenne „die