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Die süddeutschen Staaten.
10. Jan. (Bayern). Reichsrath: Debatte über das Wehrgesetz. Art. 2
desselben, der von 2 zu 2 Jahren die Vereinbarung eines Contin-
gentsgesetzes mit dem Landtage fordert, wird mit allen gegen 5 und
der Vermittlungsantrag Bothmers: „bis zum 31. Dec. 1871 soll
die Friedenspräsenzstärke 3/4 Proz. der Bevölkerungszahl von 1867
betragen, von da an aber durch ein Gesetz geregelt werden“, mit
allen gegen 14 Stimmen verworfen.
11.1. (Bayern). Reichsrath; Wehrgesetz. Der von der II. Kammer
zu Art. 19 beschlossene Zusatz, daß die Bedingungen der Ernennung,
Beförderung und Pensionirung von Offizieren etc. durch ein besonderes
Gesetz geregelt werden solle, wird abgelehnt.
13.1. (Württemberg). II. Kammer: Moriz Mohl setzt es, aus-
gesprochener Maßen mit Rücksicht auf Preußen, trotz der äußersten
Anstrengung der Regierung durch, daß in dem neuen Strafprozeß
Preßvergehen gegen fremde Regenten und Regierungen mit 45 gegen
38 Stimmen den Schwurgerichten überwiesen werden. Das ganze
Gesetz wird mit 79 gegen 2 Stimmen angenommen.
14.1. (Württemberg). II. Kammer: Beginn der Debatte über das
Kriegsdienstgesetz.
Die Mehrheit der Commission (6 Stimmen) trägt im Wesentlichen auf
Annahme des Regierungsentwurfs, die Minderheit (3 Stimmen) auf Ablehnung
der Vorlage an, zugleich aber darauf mit der Ablehnung des Entwurfs die
Bitte an die Staatsregierung um Niedersetzung einer gemischten Commission
zu verbinden, welche nach Vernehmung mit dem Milizsystem praktisch ver-
trauter Techniker die Zweckmäßigkeit der Einführung dieses Systems zu be-
gutachten, eventuell Vorschläge zu machen hätte.
In den letzten Tagen hatte die demokratische Partei durch Versammlungen
der Volksvereine sowohl in Stuttgart als in allen übrigen Theilen des Landes
eine sehr lebhafte Agitation gegen das Gesetz in Gang gebracht und es erzielt,
daß mehr als 40 Petitionen solcher Versammlungen gegen das Gesetz an die
Kammer gerichtet wurden. Die Stimmung in der Kammer selbst ist der
Art, daß die bloße Festsetzung einer gesetzlich dreijährigen Präsenzzeit, so daß
eine Abkürzung der factischen lediglich in die Willkür der Regierung gelegt
wird, offenbar nicht durchzusetzen wäre. Der Kriegsminister v. Wagner
erklärt daher, daß die Behauptung, die Regierung beabsichtige auch eine fac-
tisch dreijährige Präsenzzeit, unrichtig sei und verspricht für die nächste Sitzung
eine bestimmte Erklärung der Regierung über diesen Punkt.
15.1. (Hessen). Telegraphenvertrag mit Preußen. Das Telegraphen-
wesen Hessens wird durch denselben (mit Ausnahme der Staatsbahn-
telegraphen) allmälig vollständig an die Verwaltung Preußens resp.
des nordd. Bundes übergehen.
16.1. (Bayern). Die II. Kammer beharrt ihrerseits dem Reichs-
rathe gegenüber fast einstimmig auf Art. 2 und 19 des Wehrgesetzes.
Der Reichsrath beharrt der II. Kammer gegenüber im Gewerbe-
gesetz mit 21 gegen 19 Stimmen darauf, daß auch der Handel mit
literarischen und artistischen Erzeugnissen, sowie Leihbibliotheken und
Lesecabinette concessionspflichtig sein sollen.