A. Das Strafrecht. II. Der Aufbau des geltenden Rechtes. 253
wird dieser Grundsatz, soweit nicht durch Gesetz oder durch Vertrag ein anderes
angeordnet ist, auch durchgeführt; bei Verbrechen und Vergehen wird er durch
eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen. ı. Ein Deutscher, der im Ausland
eine hochverräterische oder landesverräterische Handlung gegen das Deutsche
Reich oder einen Gliedstaat oder eine Beleidigung gegen einen Bundesfürsten
oder ein Münzverbrechen oder ein Amtsdelikt begangen hat, ist ohne weiteres
nach deutschem Recht strafbar; hat er eine andere strafbare Handlung begangen,
so kann er nach deutschem Recht bestraft werden, wenn die Handlung auch
durch die Gesetze des Tatortes mit Strafe bedroht ist. Dagegen ist die Aus-
lieferung eines Deutschen an das Ausland unbedingt ausgeschlossen. 2. Ein
Ausländer wird wegen der im Ausland begangenen Tat nach deutschem Recht
bestraft, wenn die Handlung als Hochverrat oder als ein Amtsdelikt, das er als
deutscher Beamter (etwa als deutscher Wahlkonsul) begangen hat, gegen das
Deutsche Reich gerichtet war. 3. Der Ausländer wird ferner nach deutschem Recht
bestraft, wenn die von ihm im Ausland begangene Handlung ein Münzverbrechen
war, ohne Rücksicht darauf, ob deutsches oder irgendwelches ausländisches
Geld von ihm gefälscht oder verfälscht worden ist. Nur soweit als der Geld-
verkehr in Frage steht, hat also das deutsche Recht die Solidarität der Interessen
innerhalb der Kulturgemeinschaft der Staaten anerkannt; im übrigen hat es
sich auf den Schutz seiner nationalen Interessen beschränkt. Die aufgestellten
Sätze werden durch verschiedene Sondergesetze erweitert, sie sind aber im
Prinzip unangetastet geblieben.
Da nun der Standpunkt der meisten außerdeutschen Gesetzgebungen im
großen und ganzen derselbe ist, wird in zahlreichen Fällen der Staat, der den
Verbrecher ergriffen hat, zu seiner Aburteilung nicht befugt sein. Er hat die
Möglichkeit, den Verbrecher unbehelligt zu lassen oder ihn über die Grenze zu
schaffen oder ihn an das Ausland auszuliefern. Eine Auslieferungspflicht be-
steht für den ergreifenden Staat nur, wenn er sich durch Staatsvertrag einem
anderen Staat gegenüber dazu verbunden hat. Solche Auslieferungsver-
träge sind zwischen den verschiedenen Staaten in großer Anzahl abgeschlossen
worden. In manchen Staaten (so in Belgien, den Niederlanden, neuerdings
auch in Rußland) ist die Regierung bei Abschluß dieser Verträge durch die
nationale Gesetzgebung an die Beobachtung gewisser Bestimmungen gebunden,
wie sie etwa durch einen gesetzlich festgelegten Zolltarif bei Abschluß von
Handelsverträgen beschränkt wird. Das Deutsche Reich hat sich bisher zur
Erlassung eines Auslieferungsgesetzes nicht entschließen können. Die Folge
sind tiefgreifende inhaltliche Abweichungen zwischen den einzelnen vom
Deutschen Reich geschlossenen Auslieferungsverträgen.
In den Verträgen pflegen die Delikte, wegen deren Auslieferung gewährt
wird, aufgezählt zu werden; dann darf die Aburteilung wegen keines anderen
Delikts erfolgen, als desjenigen, für welches die Auslieferung begehrt und be-
willigt ist. Die Auslieferung wegen politischer Delikte ist nach einer ganzen
Reihe von Verträgen ausgeschlossen; man pflegt daher (nicht ganz korrekt)
von einem „Asylrecht‘‘ der politischen Verbrecher zu sprechen. Auch das Deutsche
Auslieferungs-
verträge.