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spezielle Praxis umgestoßen, nach welcher die österreichischen
Staatsangehörigen bis dahin hinsichtlich der Aufnahme in den
ungarischen Staatsverband, anderen Ausländern gegenüber einer
günstigeren Beurteilung teilhaftig wurden. Im Sinne des Hof-
kanzleidekretes vom Jahre 1814 Z. 10661 und der alten gesetz-
lichen Praxis haben nämlich die österreischischen Staatsangehöri-
gen auf Grund eines zehnjährigen ungestörten, paßlosen Aufent-
haltes die ungarische Staatsangehörigkeit stillschweigend erwor-
ben®®, und diese spezielle Art der Erwerbung der Staatsbürger-
schaft wurde durch die Praxis auch auf die in den fünfziger
Jahren eingewanderten Österreichischen Staatsangehörigen ange-
wendet°®. Diese ausnahmsweise Beurteilung der österreichischen
Staatsbürger ließ quasi auf irgend einen Zusammenhang zwischen
den beiden Staatsbürgerschaften schließen, und eben deshalb hat
die Aufhebung dieser exzeptionellen Beurteilung selbst den Schein
eines solchen Zusammenhanges zerstreut.
Die Konvention vom Jahre 1870, durch welche die Inkompa-
tibilität der österreichischen und ungarischen Staatsbürgerschaft
sozusagen sanktioniert wurde, hat ab ovo auch die Spitze jener
Angriffe genommen, welche, wie wir sehen werden, sowohl in der
österreichischen Theorie, als in der Praxis gegen die Selbständig-
keit und die Exklusivität der ungarischen Staatsbürgerschaft ge-
riehtet waren.
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Mit der Schaffung des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember
1867, welche die österreichische Staatsbürgerschaft auf die öster-
reichischen Kronländer beschränkte und somit die Chimaere des
„Reichsbürgerrechtes“ aus dem österreichischen Rechte endgültig
2° Vgl. die Verordnung des ung. Min. des Inn. sub Z. 22941 vom Jahre
1886 (Boncza: a.a.O. 1895. Bd. I. S. 10) und die Entscheidung des Min.
des Inn. sub Z, 24553 vom Jahre 1888. (BonozaA; a.a.0. 8. 11.)
° Siehe die Entscheidung des Min. des Inn. sub Z. 553 vom Jahre
1887. (Boncza: a. a. O. 8. 10.)