Pit Oesterreiqisch-Ungarische Monarchie. (Dec. 18-21.) 361
18. December. (Oesterreich.) Herrenhaus: nimmt die Re-
gierungsvorlage über das Wehrgesetz abermals unverändert an und
wählt auf Antrag des Herrn v. Schmerling sofort seine neun Dele-
girten für die Ausgleichs-Commission (mit dem Abg.-Hause).
Abg.-Haus: wählt gleichfalls seine 9 Delegirten in die Aus-
gleichs-Commission.
19. December. (Oesterreich.) Herrenhaus und Abg.-Haus:
Ausgleichs-Commission: erklärt sich mit allen gegen 1 Stimme für
unveränderte Annahme der Wehrgesey-Vorlage Seitens beider
Häufer.
20. December. (HOesterreich.) Abg.-Haus: nimmt in einer
ziemlich stürmischen Sitzung das Wehrgesetz mit 223 Stimmen
gegen 105, also mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit an.
Der rechte Flügel des liberalen Clubs der Verfassungspartei ist zur
Regierung übergegangen. Der Club der Fortschrittspartei kündigt
deßhalb dem Club der Liberalen die bisherige Partei-Gemeinschaft.
Mit vier Stimmen über die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit hat
also das Haus den § 2 der Wehrgesetz= Vorlage und dann diese in ihrer
Totalität angenommen. Damit ist eine Frage, welche seit Wochen die Ge-
müther in höchster Aufregung hielt, beseitigt. Grnöglicht wurde dieser Aus-
gang nur dadurch, daß 42 liberale Abgeordnete für die Vorlage stimmlen
und 10 Liberale sich von der Abstimmung ferne hielten. Nun, da das
Wehrgesetz auf jehn Jahre votirt ist, athmet man in r atri wieder
auf. Anders ist es in der liberalen Partei. Hier hat die Abstimmung eine
arge Spaltung geschaffen. Der Fortschrittsclu Eeschliest sofort seine sieben
Delegirten aus dem Einundzwangiger-Comite der Verfassungspartei zurück-
zuberufen. Damit ist die bisherige Organisation der liberalen Partei, ab-
gesehen von der im Club der Liberalen selbst vorhandenen Spaltung, voll-
ständig zerrissen. Es wird daher der Verfassungspartei gerathen, sie möge sich
mit den zuverlässigen Elementen als decidirte Oppositionspartei constikuiren,
ihren bisherigen rechten Flügel aber dem Grafen Taaffe überlassen, dem er
möglicherweise dienlich sein könne, um eine eigene Mittelpartei zu schaffen.
Dann würde diese Krisis mindestens den Vortheil Lebrack t. haben, daß die Si-
tnation klar geworden. Unbestritlen hat Graf Taaffe einen Stein mehr in
seinem Brett. Er hat den zweiten Theil seiner Aufgabe gelöst, zwar nicht
in so concreter Weise wie den ersten, den Eintriklt der Czechen in das Par-
lament, aber immerhin gelöst; der dritte Theil derselben, die bosnische Ad-
minssttiensvorlage, dürfte reinen großen Hindernissen begegnen. Gegenüber
der Versassungsportei hat sich die Regierung in beiden Fällen als siegreich
erwiesen; jetzt wird es sich darum handeln, auch gegenüber den Auforderungen
der RNecien fest an der Stange zu halten
20. December. (Ungarn: Croatien.) Landtag: nimmt die
Verlängerung des finanziellen Ausgleichs mit Ungarn auf 1 Jahr
auch seinerseits mit 44 gegen 13 Stimmen an.
21. December. (Oesterreich: Böhmen.) Die Regierung sucht
den Forderungen des czechischen Memorandums wenigstens einiger-