Full text: Königlich Württembergisches Staats- und Regierungs-Blatt vom Jahr 1822. (17)

FEranbreich. (April 5—6.) 405 
5. April. Der Präsident begnadigt wieder 232 Communards. 
5. April. Kammer: Zwischen dem Unterrichtsminister Jules 
Ferry und der zur Prüfung seiner Vorlagen niedergefetzten Commission 
der Abgeordnetenkammer ist eine volle Verständigung erzielt worden. 
Der Art. 7 des Gesetzes über den höheren Unterricht, welcher ver- 
schiedene Auslegungen zuließ, ist jetzt bestimmter gefaßt worden; 
der Artikel schließt jedes Mitglied einer nicht autorisirten Congre- 
gation von der Direction und der activen Theilnahme am Unter- 
richt jedes Grades und jeder Art aus. Der Bericht Hrn. Spullers 
wird bei dem Wiederzusammentritt der Kammer fertig sein, und die 
letztere wird sich noch vor den Sommerferien über diese wichtige 
Vorlage entscheiden können. Je rascher diese Entscheidung fällt, 
desto bälder wird auch die durch die Vorlage veranlaßte Bewegung 
sich wieder legen. 
5. April. Die Kammern vertagen sich bis zum 8. u. 15. Mai. 
6. April. Das Ergebniß von 21 Ergänzungswahlen zur 
Kammer ist: gewählt sind 13 Republikaner und 1 Legitimist. 
7 Wahlen sind nicht zu Stande gekommen und sind dort Stich- 
wahlen nöthig; aber auch in diesen Wahlkreisen concurriren nur 
in zweien 2 Bonapartisten mit den Republikanern. 
Die Thatsache, daß den Republikauern von 21 Wahlkreisen von den 
reactionären Parteien 18 nicht einmal streitig gemacht werden, ist bezeich- 
nend: sie beweist, daß gene Parteien selbst anerkennen, daß die weit über- 
wiegende Mehrheit des Landes der Republik angehört. Bezüglich der Süch- 
wahlen ist man gespannt auf den Ausgang in Bordeaux und im 8. Wahl- 
bezirk von Paris. Im ersteren wird von den Radicalen der noch in Haft 
befindliche Communard Blanqui als Candidat portirt, in diesem der Bona- 
partist Godelle. Ob schlieblich ein Politiker von der Nuance Blanqui mehr 
oder weniger in der Kammer säße, wäre kein so großes Ereigniß, daß daran 
etwa die Repablii, Zu Grunde gehen könnte; die Hauptbedeutung liegt viel- 
mehr darin, daß die Radicalen mit so heransforderndem Uebermuth bei der 
Aufstellung jener Candidatur sich über die klaren Bestimmungen des Gesebes 
hinwegsehen, und daß sie, gestüht auf das Schlagwort von der „Souveräne= 
tät des allgemeinen Stimmrechls“, an den Namen Blanqui eine Agitation 
knüpfen, deren höchst bedauerliche Wirkungen in den großen Massen nicht 
zu verkennen sind. Um so mehr ist es hervorzuheben, wenn die gemäßigten 
ätter, wie der „Temps“, rückhaltlos die Wahl Blanqui's im Namen und 
im Interesse der Repoblik bekämpfen und nicht vor den Vorwürfen „odiöser 
Verfolgungssucht gegen einen greisen Märtyrer" zurückschrecken. Ebenso 
charakteristisch gestaltet sich der Wahlkampf in Paris. Das ultramontane 
„Univers“ proclamirt Godelle offen als Candidaten, und alle übrigen legiti- 
mistischen und orleanistischen Organe folgen ihm mehr oder weniger verschämt 
nach. Alle drei monarchistischen Parteien sind einzeln machtlos, und nur 
im Clericalismus finden sie das zusammenhaltende Bindemittel, wie ihnen 
nur unter dem clericalen Banner eine Möglichkeit geblieben ist, überhaupt 
den Kampf gegen die Republik noch aufnehmen zu können. Dieß ist auch 
  
  
  
 
	        
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