Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1871. (48)

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Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind, kann der Aufenthalt in jedem 
anderen Bundesstaate von der Landespolizeibehörde verweigert werden. 
Die besonderen Gesetze und Privilegien einzelner Ortschaften und Bezirke, welche Aufenthalts- 
beschränkungen gestatten, werden hiermit aufgehoben. 
8. 4. 
Die Gemeinde ist zur Abweisung eines neu Anziehenden nur dann befugt, wenn sie nachweisen 
kann, daß derselbe nicht hinreichende Kräfte besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen 
den nothdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder aus eigenem Vermögen 
bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichtcten Verwandten erhält. Den Landesgesetzen blelbt vor- 
behalten, diese Befugniß der Gemeinden zu beschränken. 
Die Besorgniß vor künftiger Verarmung berechtigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurück- 
weisung. 
8. 5. 
Offenbart sich nach dem Anzuge die Nothwendigkeit elner öffentlichen Unterstützung, bevor der 
neu Anziehende an dem Aufenthaltsorte einen Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht) erworben hat, 
und weist die Gemeinde nach, daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als wegen einer nur 
vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nolhwendig geworden ist, so kann die Fortsetzung des Aufenthalts 
versagt werden. 
8. 6. 
Ist in den Fällen, wo die Aufnahme oder die Fortsehung des Aufenthalts versagt werden darf, 
die Pflicht zur Uebernahme der Fürsorge zwischen verschiedenen Gemeinden elnes und desselben Bundes- 
staates streitig, so erfolgt die Entscheidung nach den Landesgesetzen. 
Die thatsächliche Ausweisung aus einem Orte darf niemals erfolgen, bevor nicht entweder die 
Annahme-Erklärung der in Anspruch genommenen Gemeinde oder eine wenigstens einstweilen vollstreck- 
bare Entscheidung über die Fürsorgepslicht erfolgt ist. 
8. 7. 
Sind in den in §. 5. bezeichneten Fällen verschiedene Bundesstaaten betheiligt, so regelt sich das 
Verfahren nach dem Vertrage wegen gegenseitiger Verpflichtung zur Uebernahme der Auszuweisenden 
d. d. Gotha, den 15. Juli 1851., sowie nach den späteren, zur Aussührug dieses Vertrages ge- 
troffenen Verabredungen. 
Bis zur Uebernahme Seitens des verpflichteten Staates ist der Aufenthaltsstaat zur Fürsorge 
für den Auszuweisenden am Aufenthaltsorte nach den für die öffentliche Armenpflege in seinem Gebiete 
gesetzlich bestehenden Grundsätzen verpflichtet. Ein Anspruch auf Ersatz der für diesen Zweck verwen- 
deten Kosten findet gegen Staats-, Gemeinde= oder andere öffentliche Kassen desjenigen Staates,
	        
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