Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1873. (50)

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einer solchen mit einer anderen strafbaren That — erfolgt ist, dann anzuordnen, wenn 
entweder 
1) der Verurtheilte zur Zeit der That das ein und zwanzigste Lebensjahr noch nicht 
vollendet hatte und zu Gefängnißstrafe von längerer als vierwöchiger Dauer oder 
zu einer Zuchthausstrafe von höchstens dreijähriger Dauer verurtheilt ist, ohne 
Unterschied, ob derselbe früher schon bestraft wurde oder nicht, oder wenn 
2) der Verurtheilte zur Zeit der That zwar das 21., aber noch nicht das 27. Lebens- 
jahr vollendet hatte und entweder zu einer Gefängnißstrafe von mindestens sechs- 
monatlicher Dauer oder zu einer Zuchthausstrafe von höchstens dreijähriger Dauer 
verurtheilt ist, außerdem aber derselbe früher noch nie eine Zuchthaus-, Arbeits- 
haus= oder Zuchtpolizeihausstrafe oder außerhalb Württembergs eine diesen Strafen 
gleichzuachtende Strafe erstanden hat. 
Die Einlieferung in das Zellengefängniß hat ungeachtet des Vorhandenseins der 
unter II. 1. 2. bezeichneten Voraussetzungen zu unterbleiben und ist die Einlieferung in 
das Landesgefängniß oder Zuchthaus vorzunehmen, wenn wegen körperlicher oder geisti- 
ger Gebrechen oder Schwäche des Verurtheilten oder wegen der mit Rücksicht auf seinen 
Gemüthszustand von der Einzelhaft für ihn zu besorgenden Nachtheile die abgesonderte 
Verwahrung desselben in der Zelle nicht thunlich erscheint. Insbesondere sind von der 
Einlieferung in das Zellengefängniß ausgeschlossen: Blinde, Schwachsichtige, Taube, 
Schwerhörige, Krüppelhafte, Epileptische, Gemüthskranke, Solche, bei welchen eine An- 
lage zu Geisteskrankheit als vorhanden anzunehmen ist, körperlich oder geistig so Herab- 
gekommene, daß sie zu regelmäßiger Beschäftigung sich nicht eignen. 
Wenn es im einzelnen Fall zweifelhaft ist, ob ein Umstand, welcher die Einlie- 
ferung in das Zellengefängniß als unzuläßig erscheinen lassen würde, vorliege oder nicht, 
so hat das Gericht vor der Beschlußfassung die geeigneten thatsächlichen Erhebungen zu 
pflegen, insbesondere nach Umständen ein gerichtsärztliches Gutachten einzuholen. Auch 
ist in einem solchen Fall, wenn in der Sache der Staatsanwalt mitgewirkt hat, derselbe 
um seine Ansicht zu vernehmen, und es kann derselbe seinerseits durch Stellung eines 
Antrages auf Unterlassung der Einlieferung in das Zellengefängniß eine spezielle Prü- 
fung der Frage durch das Gericht veranlassen. 
III. Wenn in anderen, als den unter II. 1. 2. genannten Fällen das Gericht, wel- 
ches gesprochen hat, bei der unmittelbar nach der Urtheilsfällung zu pflegenden Berathung
	        
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