Die Oesterreichisch-AUngarische Monarchie. (Oct. 29—31.) 353
Gesche kaum vor Ablauf des ersten Ouartals 1880 zu erwarten ist, müßte
die Regierung Bedacht nehmen, die Mindereingänge durch vorübergehende
Maßnahmen zu decken. Sie legt daher einen Gesetzentwurf, betreffend die
Erhebung einer zehnprocentigen Gebühr vom psenemerk. auf Eisen-
bahnen und Dampfschiffen für das Jahr 1880, ferner einen Gesetzentwurf
vor, welcher die Umlage eines Betrages von 4 Millionen unter dem Titel
einer Ergänzungssteuer beantragt, welche alle Staatsangehörigen mit einem
Jahreseinkommen über 1400 Gulden treffen wird. Diese Ergämonngsstener
wird nur für das Jahr 1880 eingehoben. Um aber das Gleichgewicht des
Staatshaushalts auch zukünftig sicher zu stellen, wird die Regierung sch
bemühen, den Anfwand für die Verwaltung zu reduciren und das Abga
wesen bleibend und durchgreifend zu reformiren. Die Regierung fralschi
demnächst die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer, sowie die
Durchführung einer Stenerreform in Bezug auf die Grund-, Gebände-, Er-
werbs= und Rentensteuer, sowie die Besteuerung der Actiengesellschaften.
Die Ankündigung einer so langen Reihe zum Theil sehr em-
pfindlicher neuer Steuern oder Erhöhung bisheriger wird vom Hause
nicht gerade günstig aufgenommen.
29.—31. October. (Oesterreich.) Abg.-Haus: Adreßdebatte:
Vorlegung des Majoritätsentwurfs (Hohenwart) und des Minoritäts-
entwurfs (Verfassungspartei). Erklärung des Ministerpräsidenten
Taaffe. Der Adreßentwurf der Minderheit der Commission wird in
der Generaldebatte bei namentlicher Abstimmung mit 176 gegen 155 St.
abgelehnt, dagegen der Adreßentwurf der Mehrheit mit 176gegen 162 St.
angenommen. Sämmtliche dem Abg.-Haufe angehörenden Minister
stimmen für den Mehrheitsentwurf. Ministerpräsident Graf Taaffe er-
klärt, daß sich das Ministerium, weil über den Parteien stehend, an der
Specialdebatte nicht betheilige. Hierauf wird die Adresse in der
Spezialdebatte auch in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Erklärung Taaffe's: Hohes Haus! Das Ministerium hat bei
jeinem Antritt nicht nur eine schwierige Aufgabe vorgefunden, sondern hat
sich auch selbst eine höchst schwierige Aufgabe gestellt, die Aufgabe: die Ver-
ständigung und Versöhnung berbeiguführen zwischen Elementen, die, wenn-
gleich von patriotischen Gefühlen beseelt, durch einen langjährigen feuchtlosm
Kampf zum Schaden des gemeinsam aufgestellten Zieles, nämlich das Wo oo l
des geliebten Vaterlandes zu fördern, sich einander entfremdet haben. Die
Vermittlerrolle zu übernehmen, ist immer undankbar, in diesem Fall ist sie
aber eine patriotische. Diefes Ministerium ist kein Parteiministerium. Es
hamn und darf keines sein, denn wäre es eines, dann wäre es nicht geeignet,
r den Porteien und zwischen den Parteien vermittelnd eintreten zu können.
(Beifal rechts.) Es liegen dem hohen Hause zwei Adreßentwürfe zur Be-
rathung vor. Was bezwecken diese Entwürfe? Die Thronrede zu beant-
worten. Die a. h. Thronrede, für welche das Ministerium einzustehen hat,
hebt hauptsächlich drei Momente hervor: das Festhalten an der a. h. sanctio-
nirten Verfassung, die Verständigung und Versöhnung a dem Vohtn der
Verfassung mit in der Verfassung gegebenen Mitteln; endlich sogleiche In-
angr piffnahme der Arbeit, um das so sehr herbeigewünschte und becbeifehmte
Gleichgewicht im Staatshaushalte herzustellen und nach Thunlichkeit für die
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XX. Bd. 23